Westfälische Rundschau: Kommentar: "ExtraSchicht" im Ruhrgebiet
Geschrieben am 03-06-2007 |
Dortmund (ots) - Dass der Mensch eines Tages friedlich werden könnte (und sei es auch erst im Jahr 3246), man mag es nach einem Wochenende der hasserfüllten Ausschreitungen kaum glauben. Ausgerechnet an jenem Tag, der von Gewalt im Vorfeld des G8-Gipfels geprägt war, baten Künstler im Mülheimer "MüGa-Park" die Besucher der "Nacht der Industriekultur" zu einer Zeitreise in die ganz ferne Zukunft. Man wanderte, gepolstert in weiße Schutzanzüge, durch eine unsagbar sachliche, grauenvoll emotionslose, dafür aber harmonisch-friedliche Welt.
Zeitreisen sind in. 150 000 Menschen überall im Ruhrgebiet haben am Samstag den schönen Sommerabend genutzt, um bei der Massenveranstaltung "ExtraSchicht" Kultur der Gegenwart in der Arbeitswelt der Vergangenheit zu erleben. Das hat Tradition im Ruhrgebiet. Schließlich gehören Zechen, Kokereien und andere Kathedralen der Arbeit zu den anerkannt interessantesten und eigentümlichsten Orten, die die Region zu bieten hat. Dort wurde mächtig geschuftet, als der Himmel über der Ruhr noch schwarz war. Am Samstag war er blau. Und es stieg eine Party, selbstredend von Feuerwerken gekrönt.
Nun wollen wir die neue deutsche Lust am Sommerfestfeiern wahrlich nicht schmälern. Aber es fiel doch auf, dass sich bei der bislang gigantischsten aller "ExtraSchichten" kritische Töne im Publikum mehrten, dass langjährige Besucher sogar Abnutzungseffekte verspürten. Hat man nicht alles schon mal gesehen? War jeder Hochofen nicht schon mal ähnlich illuminiert? Sind die historischen Anlagen nicht manchmal nur noch bloße Kulisse für irgendeinen beliebigen Gegenwartsfilm?
Wie wohl hätte ein Bergarbeiter das bunte Spektakel erlebt, wäre er anno 1900 in eine Zeitmaschine gestiegen und hätte sich in die "ExtraSchicht 2007" bugsiert? Vielleicht hätte er ebensowenig glauben können, was er da sieht, wie wir an den gewaltlosen Menschen der Zukunft glauben können.
Originaltext: Westfälische Rundschau Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=58905 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_58905.rss2
Pressekontakt: Rückfragen bitte an: Westfälische Rundschau Redaktion Telefon: 0231/9573 1253
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