Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Straßenkampf in Rostock
Geschrieben am 04-06-2007 |
Bielefeld (ots) - Verkehrte Welt: 433 Polizisten sind in Rostock verletzt worden - und Politiker aller Parteien fordern, die Strategie der Deeskalation fortzusetzen. Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Experte der SPD, verstieg sich gestern sogar zu der Forderung, jetzt dürfe »kein weiteres Benzin ins Feuer gegossen werden«. Er wandte sich damit nicht etwa an die Gewalttäter. Nein, sein Appell ging an die Polizei! Deeskalation bedeutet: Einsatzkräfte treten nicht als schwer bewaffnete Staatsmacht auf, sie sind mit Demonstranten im Dialog, sie lösen Konflikte auf möglichst niedrigem Niveau. Dass dies kein Konzept ist, mit dem man autonomen Gewalttätern begegnen kann, leuchtet wahrscheinlich selbst Politikern ein. Aber noch mehr als Fernsehaufnahmen brennender Autos fürchten die Mandatsträger Bilder schlagstockschwingender Polizisten - auch wenn sich die Beamten nur zur Wehr setzen. Allein deshalb soll es bei der Deeskalations-Strategie bleiben. Selbst auf die Gefahr hin, dass vielleicht ein Polizist auf der Strecke bleibt. Mit ihrer weichen Linie verunsichern die Politiker jeden einzelnen der 16000 Polizisten, die rund um Heiligendamm eingesetzt sind. Anstatt den Männern und Frauen den Rücken zu stärken und sie aufzufordern, mit aller Härte gegen steinewerfende Gewalttäter vorzugehen, nimmt man ihnen sogar ihre Schutzschilde ab - damit ihr Auftritt nicht zu martialisch wirkt. Die Fürsorgepflicht des Staates seinen Beamten gegenüber - sie bleibt auf der Strecke. Der einzelne Polizist, der am zwölf Kilometer langen Schutzzaun Dienst schiebt, muss sich aber nicht nur von der Politik im Stich gelassen fühlen. Er hat auch allen Grund, an den Fähigkeiten der Einsatzleitung zu zweifeln. Nach 18 Monaten Vorbereitung hatte der Einsatzleiter kürzlich verkündet, man sei gewappnet und blicke den Demonstrationen entspannt entgegen. Am Samstag war niemand gewappnet und entspannt schon gar nicht. Unbehelligt hatten Autonome Bürgersteige und Straßen aufreißen können, um sich mit Pflastersteinen und Gehwegplatten zu bewaffnen. Da war niemand, der sie hinderte. Dass mehrere tausend Gewalttäter, von denen viele längst namentlich in Polizeicomputern erfasst sind, überhaupt nach Rostock gelangen konnten, ist auch der Einsatzleitung anzukreiden: Zu spät war begonnen worden, Autos auf dem Weg nach Rostock zu überprüfen, zu wenig Kontrollstellen wurden eingerichtet. Der Straßenkampf traf die Einsatzleitung so unvorbereitet, dass nordrhein-westfälische Polizisten, die in Lüneburg bei einer Neonazi-Demo eingesetzt waren, mit Blaulicht und Martinshorn nach Rostock verlegt werden mussten. Mit dem G8-Gipfel beginnt morgen für die Polizisten ein Eiertanz. Sie sollen das Treffen schützen, müssen sich schlecht ausgerüstet verteidigen und dürfen niemandem auf die Füße treten. Diese Strategie nach Samstag beibehalten zu müssen, wird manchen die Faust ballen lassen. Natürlich nur in der Tasche. Wegen der Deeskalation.
Originaltext: Westfalen-Blatt Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=66306 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt: Rückfragen bitte an: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
74390
weitere Artikel:
- Südwest Presse: Leitartikel: G-8-Demonstration Ulm (ots) - Das staatliche Gewaltmonopol ist ein unverzichtbarer Eckpfeiler jeder freiheitlichen Demokratie. Der Rechtsstaat gründet darauf, dass es eine Verfassung und Gesetze gibt, die das Leben in unserem Gemeinwesen zum Schutz seiner Bürger und Institutionen regeln. Dieses Rahmenwerk gibt Grenzen vor, die nicht etwa das Ergebnis politischer Willkür sind, sondern Mehrheitsentscheidungen frei gewählter Parlamente, im Einzelfall kontrolliert oder korrigiert vom höchsten Gericht der Republik in Karlsruhe. Wer jenseits der legitimierten mehr...
- Stuttgarter Nachrichten: zu G8/Krawallen: Stuttgart (ots) - Die Polizei kann das Demonstrationsrecht und die große Masse friedliebender Protestierer nur schützen, wenn sie mit mehr Präsenz hart und früh gegen die Gewalttäter vorgeht - und sie konsequent isoliert. Wenn es sein muss, mit vorsorglicher Ingewahrsamnahme. Das ist die einzige Sprache, die von Chaoten verstanden und von den Bürgern akzeptiert wird. Dazu ist es zwingend erforderlich, dass friedliche G-8-Gegner der Polizei helfen - auch wenn viele noch immer nicht begreifen wollen, gegen einen gemeinsamen Feind zu kämpfen. mehr...
- Westfalenpost: Politische Schwerarbeit Hagen (ots) - Hohe Anforderungen an die Gastgeberin Von Bodo Zapp Der morgen beginnende Gipfel der sieben führenden Industrienationen, komplettiert durch Rußland, ist für Gastgeberin Angela Merkel Höhepunkt ihrer bisher vom Ausland überwiegend mit Lob bedachten Amtszeit als EU-Ratspräsidentin. Es werden für sie persönlich Tage der diplomatischen Schwerstarbeit, trotz der Heerscharen an Vorbereitern und Zuträgern. Auch wenn am Ende statt klarer Lösungsansätze nur gesichtswahrende Formel-Kompromisse herauskommen: Mit der ihr gegebenen Hartnäckigkeit mehr...
- Mitteldeutsche Zeitung: zu Putin Halle (ots) - Mit der Sorge vor einem neuen Wettrüsten spaltet Putin die transatlantische Gemeinschaft. Kaum weniger bedenklich, auch innerhalb der EU sät er mit diesen Drohungen Misstrauen zwischen Osteuropa, wo die Angst vor Moskau aus gutem Grund tief sitzt, und den westlichen EU-Partnern. USA und Nato sind daran allerdings nicht unschuldig. Aus Moskauer Sicht ist das westliche Verteidigungsbündnis den eigenen Grenzen bedrohlich nahe gerückt. Absprachen zur Abrüstung wurden auf beiden Seiten nicht eingehalten. Das nimmt den Beteuerungen mehr...
- Ostsee-Zeitung: Ostsee-Zeitung/Rostock zu G8-Protesten Rostock (ots) - Die Bilder aus Rostock vom vergangenen Wochenende, von einem brutalen schwarzgekleideten Mob, von überforderten Polizisten, von entsetzten Globalisierungskritikern waren schrecklich. Erschreckend nach der Schlacht waren die Hilflosigkeit und Naivität in den Erklärungsversuchen auf beiden Seiten, von Demo-Veranstaltern und Polizei, wie es zu dieser Explosion der Gewalt kommen konnte. Unisono hieß es da, man habe damit im Vorfeld nicht gerechnet. Rostock hat mit lautem Knall ein immenses Defizit in der Wahrnehmung von Wirklichkeit mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|