Südwest Presse: Kommentar zum G-8-Gipfel
Geschrieben am 08-06-2007 |
Ulm (ots) - Ein G-8-Gipfel ist kein Wunschkonzert. Noch nie seit dem ersten Treffen der wichtigsten Industrienationen der Erde vor 32 Jahren sind alle Hoffnungen der Teilnehmer oder gar alle Erwartungen der Weltöffentlichkeit erfüllt worden. Auch in Heiligendamm reiften längst nicht alle Blütenträume der Bundeskanzlerin und ihrer Gäste, noch viel weniger wurden die weitreichenden Forderungen der Globalisierungskritiker oder der Afrika-Aktivisten eingelöst. Am Ende bleibt daher eine gemischte Bilanz zu ziehen. Beim Klimaschutz ist es Angela Merkel gelungen, die starre Front zwischen Europäern auf der einen, Amerikanern, Japanern und Russen auf der anderen Seite aufzulockern, auch wenn sich George W. Bush nicht auf ein bindendes Reduktionsziel für Treibhausgase festnageln ließ. Die Konzession des US-Präsidenten beim Verfahren musste die Kanzlerin bezahlen - mit dem Scheitern des deutschen Versuchs, den Hedge-Fonds Zügel anzulegen und die Risiken für die internationalen Finanzmärkte einzuengen. Ein hoher Preis, der sich fatal auf die nationalen Volkswirtschaften und Arbeitsmärkte auswirken kann. Ob die "Großen Acht" durch die Aufstockung der Hilfsgelder gegen Aids und Malaria den Vertrauensverlust ausgleichen können, den sie durch gebrochene Zusagen an die Afrikaner verursacht haben, ist nicht zu erwarten. Schon in Köln (1999) und Glenaegles (2005) wurde den Entwicklungsländern viel versprochen, davon gehalten haben die G8 nur einen Bruchteil. Es ist bisweilen vorgeschlagen worden, auf die kostspieligen Medienspektakel, zu denen die einstigen Familientreffen der Staats- und Regierungschefs geworden sind, zu verzichten und das Geld lieber der Dritten Welt zu spenden. Glaubt jemand allen Ernstes, von jenen 100 Millionen Euro, die der Gipfel verschlang, wäre auch nur ein Cent nach Afrika geflossen, wenn die Kanzlerin das Ereignis abgesagt hätte? Positiv ist der in Heiligendamm eingeleitete Prozess, die fünf wichtigsten Schwellenländer stärker in die Gestaltung der Weltwirtschaft einzubinden - China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika. Ein "menschliches Gesicht", wie es Angela Merkel will, erhält die Globalisierung nur, wenn humanitäre Rechte, Nachhaltigkeit und Sozialstandards über den Kreis der G8 hinaus als unverzichtbare Prinzipien durchgesetzt werden. Andererseits werden die Gipfel durch die erweiterte Teilnehmerzahl immer mehr aufgebläht und mit Ansprüchen aufgeladen, denen sie nie gerecht werden können. Schließlich verfügen diese informellen Treffen über keinerlei Legitimation, eine Art Weltregierung oder Uno-Ersatz sind sie gerade nicht. Kann man die Entwicklung aber aufhalten, die Spirale der Erwartungen und Enttäuschungen zurückdrehen? Die Eigendynamik des internationalen Konferenzgeschehens steht gegen bescheidenere Rahmen und abgespeckte Tagesordnungen. Die jeweiligen Gastgeber werden auf die glanzvolle Bühne zur Selbstdarstellung nicht verzichten wollen, die sich mit jedem Gipfel bietet. Freilich gehören zu einer Bilanz von Heiligendamm viele verletzte Polizisten und Demonstranten, dazu Landwirte, deren Felder zertrampelt wurden, Urlaubsgäste, denen die Zufahrt zu ihren Ferienwohnungen nicht möglich war, und Journalisten, die durch Blockaden oder Sicherheitsmaßnahmen an der Ausübung ihres Berufs gehindert wurden. Diese Beeinträchtigungen haben ein Maß erreicht, das die Politik zum Nachdenken zwingen sollte.
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