Westdeutsche Zeitung: Europa = von Gerd Niewerth
Geschrieben am 24-06-2007 |
Düsseldorf (ots) - Die Geschichte des Einigungswerkes ist reich an schmalspurigen Übereinkünften, die sich erschöpfte Staatschefs in zermürbenden Verhandlungen abgerungen haben. Europa, die stotternde Kompromissmaschine. In diese Tradition reiht sich auch dieser EU-Gipfel ein. Der neue EU-Präsident und der aufgewertete EU-Chefdiplomat zählen zu den Pluspunkten. So bekommt Europa ein Gesicht. Und endlich wird der Unfug, dass jedes Land einen EU-Kommissar stellen darf, ein Ende haben. Die EU-Machtzentrale wird auf 18 Kommissare schrumpfen. Und das EU-Parlament, in den Anfängen eine unwichtige Quasselbude, gewinnt erheblich an Einfluss auf die EU-Gesetzgebung. Der Wert des Gipfels relativiert sich hingegen spürbar, wenn man das Machbare gegenüberstellt. Schließlich hatten schon 18 Staaten der EU-Verfassung zugestimmt. Die Weigerung der Briten, die gemeinsamen Werte Europas anzuerkennen, könnte sich noch als ein schleichendes Gift erweisen. Tony Blair hat sein wahres Gesicht gezeigt. Er ist kein echter Europäer. Ein Kapitel für sich ist das unverschämte Auftreten der Polen. Zwar bewies die Kanzlerin Stärke, als sie die Polen vor die Tür zu setzen drohte. Aber am Ende kam Europa den widerspenstigen Warschauern beim umstrittenen Stimmengewicht noch mehr entgegen. Wenn Europa nach der Devise "Der Klügere gibt nach" funktioniert, dann Gute Nacht. Unfein ist auch die mangelnde Sensibilität gegenüber den Bürgern. Wie angekündigt sind die Beschlüsse sprachlich von nicht zu überbietender Hässlichkeit. Weil man alles vermeiden wollte, was nur entfernt mit Verfassung zu tun haben könnte. Wenn Brüssel tatsächlich die Herzen und Köpfe der Menschen gewinnen will, muss es einen Text vorlegen, den jeder Normalsterbliche verstehen kann. Ein "Vertrag der Fußnoten"? Nein danke. Auch wenn sich am Ende alle als Sieger fühlen: Ein Meilenstein war der Gipfel nicht. Schlimmstenfalls könnte er sich sogar als Pyrrhussieg erweisen. Briten und Polen wollen ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Was nicht zusammengehört, kann auch nicht zusammenwachsen. Ein Haus mit mehreren Etagen, das ginge noch. Aber nun besteht die Gefahr, dass manche lieber ein eigenes Haus wollen.
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