Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) kommentiert zur Nachfolge von Tony Blair
Geschrieben am 26-06-2007 |
Bielefeld (ots) - Er wurde schon als »Prinz Charles der Downingstreet« verspottet. Doch nach zehn Jahren des Wartens ist der britische Schatzkanzler Gordon Brown heute am Ziel seiner politischen Träume angelangt. Der seit Sonntag amtierende neue Labour-Chef wird auch Nachfolger des künftigen Nahost-Vermittlers Tony Blair als Premierminister Großbritanniens. Für den Workaholic aus dem schottischen Glasgow war es ein langer Weg, auch wenn er heute nur ein Haus weiter von Downing Street Nummer 11 in Downing Street Nummer 10 wechselt. Brown hat über Jahre zu seinem eigenen Verdruß im Schatten des Strahlemanns Blair stehen müssen, auch wenn seine Landsleute natürlich wissen, dass ihm als Schatzkanzler ein gehöriger Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung und dem Abbau der Arbeitslosigkeit auf der Insel zukommt. Brown hat so gar nichts von dem schauspielerischen Talent und dem Charme, mit dem Blair von zehn Jahren bei seinem Amtsantritt die Briten überzeugte und über lange Jahre verzauberte. Erst mit seinem Eintritt in den Irak-Krieg an der Seite der Amerikaner, den Blair noch heute vehement als richtig verteidigt, verblasste die Popularität des bisher jüngsten Premierministers. Lange Zeit einer der einflussreichsten Regierungschefs nicht nur auf der Insel, war Blair zuletzt nur noch umstritten, was sich auch in den schlechten Umfrageergebnissen für die Labourpartei äußerte. Doch momentan liegt Labour wieder vor den Konservativen. Die Briten erwarten also viel von dem zurückhaltenden Eigenbrötler Brown. Klar ist, dass in Downing Street 10 ein gänzlich anderer Regierungsstil Einzug hält. Die Briten werden vor allem gespannt sein, wie Brown mit dem Thema Irak umgehen wird, auch wenn er schon bekräftigt hat, die »internationalen Verpflichtungen« würden erfüllt. Nun hat der Schotte solange auf seine Chance warten müssen. Aber egal, ob er Neuwahlen schon im nächsten Jahr oder spätestens 2010 ansetzt, sein Kampf ums politische Überleben hat bereits heute begonnen. Er muss nicht nur die eigene Partei in Schuss bringen, sondern auch die von Blair enttäuschten Wähler wieder von Labour überzeugen. Auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft, »dass wir auch künftig aus Großbritannien so positive Worte über Europa hören werden, wie wir es unter Tony Blair gewohnt waren«, unter Brown wird das Land nicht näher an die EU heranrücken, eher die Distanz noch stärker betonen. Schon die Äußerung Merkels war schmeichelhaft für Blair. Er kokettierte damit, im Herzen ein überzeugter Europäer zu sein, Blairs Handeln war jedoch ganz im Sinne seiner Landsleute allzu häufig vom Gegenteil bestimmt. Auf dem Festland sollte sich also niemand Illusionen hingeben: Der Europaskeptiker Brown wird nicht plötzlich sein Herz für Europa entdecken. Künftig wird noch stärker gelten: Ja zur EU nur zu Dingen, die nützlich für Großbritannien sind.
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