LVZ: Die Leipziger Volkszeitung zu Online-Durchsuchungen/Schäuble -
Geschrieben am 27-07-2007 |
Leipzig (ots) - Von Armin Görtz. Was hat ein potenzieller Selbstmordattentäter auf seiner Computerfestplatte? Termine von Massenveranstaltungen? Abfahrtszeiten von Zügen im Berufsverkehr? Pläne zum Bombenbau? Kein Außenstehender kann es wissen - und er darf es momentan auch nicht wissen. Obwohl Sicherheitsbehörden davon ausgehen, dass sich in Deutschland von Taliban ausgebildete Islamisten aufhalten, gibt es weder gegen sie noch gegen weitere mutmaßliche Gotteskrieger eine rechtliche Handhabe. Sie können weder eingesperrt noch ausgewiesen werden. Vielleicht würde die heimliche Durchsuchung ihrer Rechner Beweise liefern, um die Männer wegen Planung von Massenmorden oder Bildung von terroristischen Vereinigungen zu verurteilen. Aber das unbemerkte Durchforsten von Festplatten ist den Ermittlern derzeit verboten. Dies ist ebenso absurd wie der Streit zwischen Justizministerin Zypries und Innenminister Schäuble. Denn bereits Rot-Grün hatte die Durchsuchungserlaubnis als notwendig erkannt und eingeführt - aber leider auf einer zweifelhaften rechtlichen Grundlage. Das Ganze sei, so verkündete der Bundesgerichtshof zu Jahresbeginn, in dieser Form nicht akzeptabel. Union und SPD waren sich sofort einig, dass die Durchsuchungen fortzusetzen sind, aber zuvor gesetzlich sauber geregelt werden müssen. Klar sind ebenfalls die wichtigsten Prinzipien: Selbstverständlich brauchen die Online-Späher die Genehmigung eines Richters. Aktiv werden dürfen sie nur bei Verdacht schwerer Verbrechen, und Betroffene müssen nach Abschluss der Ermittlungen informiert werden. Doch statt sich nun endlich ans Werk zu machen und die Sache gemeinsam in Paragraphen zu gießen, führt die SPD einen bizarren Streit mit der Union. CDU-Minister Schäuble hat durch undeutliche und ungeordnete Forderungen nach schärferen Sicherheitsgesetzen seinem Anliegen in den letzten Monaten mehr geschadet als genutzt. Viele halten ihn seither für einen maßlosen Hau-Drauf. Dieses Negativ-Image wiederum versucht Zypries von der SPD zur eigenen Profilierung zu nutzen. Also präsentiert sie sich als Schäuble-Widersacherin und hehre Hüterin der Freiheit. Obwohl sich Schwarz und Rot beim Online-Thema im Kern einig sind, suchen sie nach Differenzen und toben sich auf Nebenschauplätzen aus. Der Zwist dreht sich zum Beispiel um die Frage, in welchem Gesetz und wie schnell die Regelung erfolgt. Und nun fetzen sich beide Seiten gar darum, ob Schäuble in diesem Konflikt eingelenkt habe oder ob von Zypries das vermeintliche Einknicken des Ministers nur aus taktischen Motiven verkündet worden sei. Was bringt das alles? Verwirrt worden ist die Öffentlichkeit schon genug. Statt dessen sollte die Koalition in dieser sensiblen Frage Geschlossenheit demonstrieren und den Bürgern deutlich machen, worum es geht und worum nicht: Die Online-Aktion ist weder dazu da, das Intimleben zu durchschnüffeln noch illegalen Kopierern auf die Schliche zu kommen - sie wird gebraucht, um Leben zu schützen. Und das, so zügig wie nur möglich.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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