Wiesbadener Kurier: Kommentar zu Türkei:
Geschrieben am 14-08-2007 |
Wiesbaden (ots) - Im Kampf um die Macht in der Türkei gehen Ministerpräsident Erdogan und seine AKP aufs Ganze. Mit der erneuten Kandidatur von Außenminister Gül für das Präsidentenamt setzen sich die islamisch-konservativen Wahlsieger ganz offen über das bisherige Veto der Militärs hinweg. Wenn es Gül wie zu erwarten gelingt, den Widerstand der jetzt viel schwächeren Opposition im Parlament zu zerstreuen, könnten die Generale nur noch mit einem Putsch den Wechsel an der Staatsspitze verhindern. Angesichts der breiten Zustimmung der Bevölkerung zu Erdogans reformistischer, europafreundlicher und wirtschaftlich erfolgreicher Politik mag der Premier das Risiko eines Staatsstreichs der Armee heute anders als noch im Frühjahr gering schätzen. Andererseits haben die Generale bei ihren früheren Machtübernahmen auch nicht nach der Stimmung im Volk gefragt. Und es geht für sie um sehr viel: Weniger um das gern vorgeschobene laizistische Erbe Atatürks als um handfeste Privilegien und Machtpositionen. Anders als der Premierminister ist der Staatspräsident Oberbefehlshaber der Streitkräfte und somit direkter Chef der Generale. Ihre Furcht ist nicht unbegründet, dass die AKP von oben her die Macht des Militärs als Staat im Staate zumindest langfristig brechen will. Genau das ist freilich auch die einzige Option für einen modernen türkischen Staat, der nach Europa strebt. Güls Kandidatur erzwingt die schnelle Entscheidung auch bei den Militärs. Lassen sie die Wahl des frommen Moslems zu, dessen Frau bei Staatsempfängen Kopftuch trägt, so hat sich nicht nur der vorlaute Generalstabschef Büyükanit als zahnloser Tiger erwiesen. Und wenn nicht? Ab dem 20. August wissen Erdogan und die AKP, ob der kalkulierte Showdown auch politisch klug war.
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