Lausitzer Rundschau: Die Koalition, ihre Reformen und das Volk
Geschrieben am 22-08-2007 |
Cottbus (ots) - "Gesetzesreformen, sind nur dann wohltätig, wenn sich die Lebensverhältnisse, Sitten und Rechtsauffassungen geändert haben und die alten Gesetze nicht mehr dazu passen. Reform der Gesetze muss dem Wandel der Sitten folgen. Aber sie darf ihm nicht vorauseilen oder ihn gar erst herbeizwingen wollen; dann tut sie weh und weckt Widerstand." Sebastian Haffner, der große Publizist, hat diese Sätze in seinen "Ansichten eines Wechselwählers" geschrieben - und dass an ihnen etwas Wahres sein muss, zeigt eine kürzlich in der "Zeit" erschienene Umfrage. Ihr kurz zusammengefasstes Ergebnis: Die Große Koalition, die es bei der Wahl 2005 zusammen auf rund 70 Prozent der Wählerstimmen brachte, verfolgt in zentralen Fragen eine komplett andere Politik, als sie sich die Mehrheit der Bevölkerung offenbar wünscht. So sind 72 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass die Bundesregierung zu wenig für die soziale Gerechtigkeit tut. 82 Prozent wollen die Rente mit 67 wieder abgeschafft sehen. 62 Prozent lehnen die Bundeswehr-Einsätze in Afghanistan ab. Und 67 Prozent finden, dass Unternehmen wie die Bahn oder die Telekom besser in Staats- als in Privatbesitz sein sollten. Letzteres sehen übrigens sogar 71 Prozent der Unions- und 57 Prozent der FDP-Wähler so. Natürlich darf sich Politik nicht darauf beschränken, nur jene Projekte anzugehen, für die es gerade eine Mehrheit in den Umfragen gibt. Verantwortliche Führung heißt manchmal auch, unbequeme, aber als notwendig erkannte Ziele gegen Widerstände durchzusetzen. Dann aber gilt es, für diese Ziele durch Überzeugungsarbeit wenigstens im Nachhinein Mehrheiten zu schaffen. Mindestens an dieser Stelle hat die Große Koalition bisher offenbar versagt. Aber die Zahlen weisen in ihrer Eindeutigkeit auf mehr hin, als nur auf ein Kommunikationsproblem: Möglicherweise lassen sie sich damit erklären, dass die Sicht auf jene von Haffner genannten Lebensverhältnisse in Deutschland eine völlig andere ist, je nachdem, ob man sie vom "Raumschiff Berlin" aus betrachtet oder aus einem Lausitzer Dorf beziehungsweise einer strukturschwachen Stadt im Ruhrpott. Zwar dürften in ihren Wahlkreisen fest verwurzelte Abgeordnete weniger anfällig sein, die Bodenhaftung zu verlieren. Aber ein großer Teil der Gesetze wird in Deutschland mittlerweile eben nicht mehr im Parlament entwickelt sondern in der Ministerialbürokratie. Unter der mehr oder minder segensreichen Mitwirkung sogenannter Experten - gut dotierte Hochschulprofessoren, namhafte Unternehmensberater, Lobbyisten. Die Folgen dieser Entwicklung sind dramatisch: Sie zeigen sich im Mitgliederschwund bei Union und SPD, in der Stärkung der politischen Ränder, im Vertrauensverlust der Bürger in die parlamentarische Demokratie insgesamt. Niemand will einem gnadenlosen Populismus das Wort reden - aber vielleicht sollten sich die beiden in der Großen Koalition vereinten Volksparteien doch hin und wieder mal an Martin Luthers Motto "Dem Volk aufs Maul" schauen erinnern. Jedenfalls dann, wenn sie Volksparteien bleiben wollen.
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