WAZ: Leitlinien in Buchform: Demutsaustreibung in der SPD - Leitartikel von Angela Gareis
Geschrieben am 27-08-2007 |
Essen (ots) - Lange Zeit haben viele Sozialdemokraten die Höhe der Zeit lieber von unten betrachtet. Sehr unsicher folgten sie Gerhard Schröder auf seinem Modernisierungsweg, erlebten schwindelnd die Fallhöhe der Reformpolitik und begaben sich Entschuldigungen murmelnd auf ihre alten, schwindelfreien Positionen zurück. Die Umfragewerte sind ihnen bergab gefolgt. Drei Männer, die eine gewisse Parteiferne auszeichnet, wollen die Sozialdemokraten zu einem neuen Aufstieg bewegen. "Auf der Höhe der Zeit" heißt ein Buch, das Matthias Platzeck (früher Vorsitzender), Peer Steinbrück (Stellvertreter) und Frank-Walter Steinmeier (bald Stellvertreter) herausgeben. In einer Einleitung holen sie nach, was Schröder und die Partei im Zuge der Agenda 2010 versäumt haben. Sie begründen und erläutern den Prozess der Selbsterneuerung.
Die Rückbesinnung auf die Anfänge der sozialen Demokraten zwischen Marxisten und Wirtschaftsliberalen führt die Verfasser zur Agenda 2010, die sie gewissermaßen als ursozialdemokratische Politik mit modernen Mitteln bewerten. Sie sprechen vom überkommenen Sozialstaat, der zu oft bloß reparierend eingreife und fordern den Paradigmenwechsel zum vorsorgenden Sozialstaat, der Menschen in die Lage versetze, ihr Leben aus eigener Kraft zu leben. Sie mahnen die Hinwendung zur breiten Mitte und Verantwortung nicht nur für die Verteilung von Wohlstand, sondern auch für die Wertschöpfung an.
Der Aufsatz ist relativ mutig und wird bis zum Parteitag Ende Oktober noch einige Aufregung produzieren. Trotzdem ist der Zeitpunkt so günstig wie lange nicht, weil die SPD nach Rente mit 67 und Unternehmenssteuerreform jetzt mit Mindestlohn und freiwilligem Wehrdienst wieder als links empfundene Ziele vorgibt. In der leicht ausbalancierten Stimmung trifft es die Genossen eventuell nicht so hart, wenn die drei Schröderianer vor Kleinmut, Konservatismus und störrischem Beharren warnen. Steinbrück hat sogar den Vorwurf, die SPD wirke wie eine Heulsuse, dem Anschein nach unversehrt überstanden. Und außerdem wird beim Parteitag Schröder auftreten und sicherlich keine Entschuldigungen für seine Politik vortragen, weshalb es Sinn macht, der Partei die unangebrachte Demut noch vorher auszutreiben.
Der Titel des Buches bezieht sich auf Willy Brandt, der gesagt hat, dass man auf der Höhe der Zeit zu sein habe, wenn Gutes bewirkt werden solle. Brandt plus Schröder plus Schröder mal drei - in der Summe könnte die SPD sich auf ihre Stärken besinnen.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : feed://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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