(Registrieren)

Börsen-Zeitung: Notoperation in Leipzig, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Übernahme der Sachsen LB durch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW)

Geschrieben am 27-08-2007

Frankfurt (ots) - Da waren's nur noch sieben. Wenn die LBBW nach
endgültiger Prüfung der Risiken der Sachsen LB nicht doch noch von
der Rückgabeklausel Gebrauch machen muss, wird nach Bremen, Mainz und
Saarbrücken die vierte der elf deutschen Landesbanken ihre
unternehmerische Unabhängigkeit eingebüßt haben (das Szenario, dass
die Stuttgarter tatsächlich die Ausstiegsoption ziehen, weil weitere
Leichen im Leipziger Keller gefunden werden, möchte man sich lieber
gar nicht erst ausmalen). Bei aller vielbeschworenen, von weiten
Teilen der Sparkassengruppe und namentlich auch von ihrem Präsidenten
Heinrich Haasis vehement geforderten Landesbankenkonsolidierung: So,
nämlich wieder einmal als Notoperation, hatten sich die Strategen die
Bündelung der Kräfte gewiss nicht vorgestellt.

Dass wirtschaftlich sinnvolle Strukturveränderungen allzu oft nur
unter dem Druck einer Krise zustande kommen, ist hinreichend bekannt.
Dies ist nicht unbedingt ein Spezifikum öffentlicher Banken. Aber
gerade einige der mit Hilfe von Beteiligungen, Mandaten und
gesetzgeberischem Einfluss in die Sparkassengruppe hineinregierenden
Landespolitiker fallen insoweit durch eine sehr flache Lernkurve auf.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU)
muss aufpassen, dass er seine Hinhaltetaktik in Sachen WestLB nicht
so weit treibt, dass auch in Düsseldorf irgendwann nur noch eine
Notoperation hilft. Wie sich die Träger einer Landesbank
vergaloppieren können, ist in Sachsen zu besichtigen. Da wurde der
Wert der einzigen ostdeutschen Girozentrale, deren Übernahme durch
die WestLB im Frühjahr schon so gut wie perfekt schien, noch vor
wenigen Monaten auf bis zu 2,5 Mrd. Euro hochgeredet.

Nun muss die LBBW erst einmal 250 Mill. Euro als Soforthilfe in
ihre neue Dependance einschießen, um das Schlimmste zu verhüten, und
als Kaufpreis werden vorläufig noch 300 Mill. Euro genannt -
Wiedervorlage nach genauer Prüfung der Risiken. Obendrein hängt das
Land Sachsen - mithin der deutsche Steuerzahler - mit bis zu 17,3
Mrd. Euro im Obligo und würde in Regress genommen, soweit aus dem von
der Sparkassengruppe gedeckten Liquiditätsbedarf Verluste werden
sollten.

Derweil hat die Düsseldorfer Landes- und Kommunalpolitik offenbar
Zeit und Muße genug, mindestens im Wochenrhythmus neue Luftballons
steigen zu lassen. Mal soll es eine "europäische Dimension" für die
WestLB sein, mal die vertikale Fusion mit der Stadtsparkasse, mal
eine Nord- und eine Süd-Länderbank. Aber für die "europäische
Dimension" fehlt es schon am Käufer des Landesanteils. Die
Stadtsparkasse Düsseldorf,beiallemRespekt,würde zwar das mitbringen,
was der WestLB fehlt: Kunden. Aber als Problemlöser für das
angeschlagene Wholesale-Haus wäre der lokale Retailer wohl leicht
überfordert. Die Modelle für diverse Mega-Landesbanken schließlich,
von der "Banane" (so genannt nach der geografischen Ausdehnung) über
die "Südschiene" bis zu "Alle unter einem Dach", sind x-mal
durchgekaut und haben sich als unrealisierbar erwiesen. Das sollte
auch Rüttgers nicht entgangen sein. Doch mit seinem Hin und Her hat
er es erst einmal geschafft, den sich anbietenden starken Partner aus
dem Südwesten in die Schmollecke zu treiben.

Indes hat die LBBW mit dem Sanierungsfall Sachsen LB ja vorerst
eine andere dankbare Aufgabe. Für sie wird es in Leipzig in den
nächsten Monaten und Jahren darauf ankommen, aus der Not eine Tugend
zu machen. Gelingt es den Stuttgartern, die in den frühen neunziger
Jahren im Osten Entwicklungshilfe in Sachen Landesbank geleistet
hatten, die zunächst treuhänderisch verwaltete angehende Tochter zu
stabilisieren, die aus dem Ruder gelaufenen Risiken in den Griff zu
bekommen, ohne selbst in den Sumpf gezogen zu werden, und das
Geschäft auf den Mittelstand und gehobene Privatkunden zu
fokussieren, dann sollte sich die Neuerwerbung mittelfristig durchaus
als bedeutende strategische Stärkung der schon heute führenden
Landesbank erweisen. Immerhin ist Sachsen wirtschaftlich eine der
wirklich "blühenden Landschaften" im Osten, und osteuropäische
Wachstumsregionen liegen unmittelbar vor der Haustür der Sachsen LB.

Aber das Trio LBBW/LRP/Sachsen LB als Nukleus einer
"Superlandesbank" oder als Katalysator für weitere Kombinationen,
etwa zwischen Bayern und Hessen-Thüringen? Die Entwicklung in
Düsseldorf ist angesichts der divergierenden Interessen der
WestLB-Eigentümer unberechenbar, und die Verbindung München -
Frankfurt hat der hessische Ministerpräsident, Rüttgers' Parteifreund
Roland Koch, schon einmal zu verhindern gewusst - ebenso wie andere
Modelle, die das Potenzial hatten, den Bankenplatz Deutschland und
die Sparkassengruppe zu stärken. Der öffentlich-rechtliche Teil der
Branche ist nun einmal traditionell eine Spielwiese der Politik. Das
macht es für die Gruppe schwer und mitunter unmöglich, zu tun, was
wirtschaftlich sinnvoll wäre. Bedarf es aber immer erst einer Krise,
um die Politik zur Vernunft zu bringen, ist das auf Dauer ein allzu
hoher Preis.

(Börsen-Zeitung, 28.8.2007)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : feed://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

89089

weitere Artikel:
  • Dewey Ballantine LLP und LeBoeuf, Lamb, Greene & MacRae LLP schliessen sich zusammen und begründen eine der führenden Anwaltskanzleien der Welt New York (ots/PRNewswire) - Dewey Ballantine LLP ("Dewey Ballantine") und LeBoeuf, Lamb, Greene & MacRae LLP ("LeBoeuf Lamb"), zwei führende internationale Anwaltskanzleien, gaben heute bekannt, dass sie eine endgültige Fusionsvereinbarung abgeschlossen haben, die von der Zustimmung der Gesellschafter abhängig ist. Dieser Zusammenschluss wird eine New Yorker Anwaltskanzlei der Spitzenklasse mit einem weltweit umfassenden Wirkungsbereich begründen, die einige der herausragendsten Praxen und Branchenführer mit über 1.300 Anwälten in 12 Ländern mehr...

  • MIPS Technologies erwirbt weltweit im geistigen Eigentum und im Analogbereich führendes Unternehmen Mountain View, Kalifornien und Lissabon, Portugal (ots/PRNewswire) - - Erwerb von Chipidea Microelectronica S.A. bringt MIPS auf Bewertungsplatz Nr. 2 MIPS Technologies Inc., (Nasdaq: MIPS), ein führender Anbieter von Industriestandard Prozessorarchitekturen und -kernen für Digitalverbraucher, Netzwerkarbeit, persönliche Unterhaltung, Kommunikation und Geschäftsanwendungen gab heute bekannt, dass das Unternehmen die in Privatbesitz befindliche Firma Chipidea Microelectronica S.A., den weltweit führenden unabhängigen Zulieferer geistigen mehr...

  • Pharmazeutische Erzeugnisse haben den höchsten Anteil am Einzelhandelsumsatz Wiesbaden (ots) - WIESBADEN – Nach Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes erzielte der Einzelhandel (ohne Kraftfahrzeug-Handel) 2005 in Deutschland rund 45% seines Umsatzes mit nur zehn von insgesamt 59 Produktarten. Nach den aktuell vorliegenden Ergebnissen der Jahreserhebung 2005 im Einzelhandel nahmen die Spitzenposition dabei pharmazeutische Erzeugnisse (Anteil am Gesamtumsatz von 8,3%) ein, gefolgt von Damenbekleidung (5,9%) sowie sonstigen Nahrungsmitteln (5,7%), einer Sammelposition, zu der zum Beispiel Reformwaren, Eier mehr...

  • Deutsche ziehen Eigenheim der Miete vor - Finanzielle Anforderungen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen bremsen bislang Eigenheimerwerb Köln (ots) - Die Deutschen wohnen lieber in den eigenen vier Wänden als zur Miete. Trotzdem scheuen viele vor dem Kauf einer Immobilie zurück, da sie nicht über ausreichend Eigenkapital verfügen und sich den befürchteten hohen finanziellen Belastungen vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht gewachsen sehen. Dies bestätigt eine repräsentative Umfrage von Genworth Financial, einem der führenden Unternehmen im Bereich finanzieller Absicherung. Im Rahmen der Genworth Financial Wohneigentumsstudie 2007, durchgeführt mehr...

  • LIOS Technology liefert DTS-Systeme für verschiedene On- und Offshore-Projekte / Erster DTS-Lieferant mit zertifizierter WITSML-Datenschnittstelle Köln (ots) - LIOS Technology GmbH präsentiert Produkt-Highlights im deutschen Pavillon Nr. 1493G auf der Messe "Offshore Europe 2007", die vom 4. - 7. September in Aberdeen stattfindet. LIOS Technology liefert faseroptische Temperaturmesssysteme (Optical Temperature System, OTS) für die verteilte Temperaturüberwachung bei der Öl- und Gasexploration. Die hochentwickelten, ortsverteilten Temperaturmesssysteme von LIOS Technology sind zuverlässige Instrumente für die kontinuierliche, unterbrechungslose Bohrloch-Temperaturmessung, die mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht