Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 30. August 2007 die Freilassung der koreanischen Geiseln in Afghanistan:
Geschrieben am 29-08-2007 |
Bremen (ots) - Erlösung und Sündenfall Von Joerg Helge Wagner Könnten der Priester Bae Hyung Kyu und Shim Sung Min noch leben, wenn ihre Regierung gleich nach der Geiselnahme mit den Taliban verhandelt hätte? Die Frage drängt sich auf, nachdem gestern für zwölf Leidensgefährten der beiden ermordeten Südkoreaner das sechswöchige Martyrium endete. Dennoch ist sie unsinnig, denn die beiden würden natürlich auch noch leben, wenn sie gar nicht erst nach Afghanistan gekommen wären, um der geschundenen Bevölkerung dort zu helfen. Die richtige Frage lautet: Wie kann man zivile Helfer besser vor Geiselnahmen schützen? Aber auch: War es richtig, dass die Regierung in Seoul direkt mit den Terroristen verhandelt hat? Die zweite Frage mag sehr kaltherzig klingen angesichts der unendlichen Erlösung, welche die ausgehandelte Freilassung für die Geiseln und deren Angehörige bedeutet. Westliche Politiker und Geheimdienstexperten bewerten das Verhalten Seouls als Sündenfall, weil es den Taliban Prestige verschafft und sie damit zu weiteren Geiselnahmen geradezu ermutigt. Taliban-Kommandeur Mullah Abdullah hat bereits neue Entführungen angekündigt und frohlockt, dass der Deal mit Seoul ein wichtiger Schritt zur Rückgewinnung der 2001 verlorenen Macht sei. Unter dem Strich hat die Regierung in Seoul zwar 19 ihrer Staatsbürger aus unmittelbarer Lebensgefahr gerettet, aber gleichzeitig mehrfachen Verrat begangen: An den Verbündeten und an der afghanischen Regierung, die beide übergangen wurden, aber auch an den eigenen Grundsätzen und nicht zuletzt am afghanischen Volk. Was heißt es denn, wenn eine frei gewählte, demokratische Regierung einer Terrortruppe "verspricht", künftig die Missionstätigkeit ihrer Bürger "zu unterbinden" in einem Land, auf das die Terroristen Anspruch erheben? Vielleicht folgt dann als nächstes ja ein generelles staatliches Reiseverbot nach Afghanistan, weil die Taliban nicht nur Missionare, sondern ausländische Helfer generell nicht ausstehen können. Die gestrigen Freilassungen markieren - bei aller Erleichterung - einen Triumph der Barbarei über die Zivilisation. Für die deutsche Geisel Rudolf Blechschmidt ist die Hoffnung nicht gewachsen, denn Berlin kann und darf den Weg Seouls nicht gehen - doch seine Peiniger werden jetzt genau dies erwarten.
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