(Registrieren)

LVZ: Leipziger Volkszeitung zu ARD-Talkshow/Anne Will Politik-Simulation

Geschrieben am 14-09-2007

Leipzig (ots) - Von Peter Korfmacher
Aus Sabine Christiansen wird Anne Will. Ja und? Eine
Nachrichten-Frontfrau ersetzt eine Talkerin, die einst
Nachrichten-Frontfrau war. Mit dem neuen Gesicht kommt eine neue
Dekoration: warme Erdtöne statt kaltem Blau. Die Gesprächskultur soll
sich umgekehrt proportional zur Farbenlehre verschieben: Härter will
Will sein, nicht kuscheln, sondern nachhaken. Dass sie das kann, hat
sie bewiesen - wird nun alles gut auf der Brücke des deutschen
Talk-Schlachtschiffs?
Schwer zu sagen. Denn Christiansen hat 1998 ja auch nicht angefangen
als huldvolle Plaudertasche. Sie ist über die Jahre dazu geworden -
weil ihr Format sie formatiert hat. Ein Format, das sich hinter der
Tarnung des Redens über Politik zur Simulation von Politik entwickelt
hat. Denn sonntags nach dem "Tatort" wurde allzu oft die politische
Agenda der Folgewoche festgelegt.
3,9 Millionen Zuschauer erreichte Christiansen zuletzt. Das ist für
ein Polit-Format eine stolze Zahl. 3,9 Millionen Zuschauer, das sind
3,9 Millio-nen potenzielle Wähler. Da liegt es auf der Hand, dass
Politiker dieses Chance nicht ungenutzt lassen, um das zu sagen, was
sie immer schon mal loswerden wollten. Egal, welche Frage gerade im
Raum steht, egal auch, um welches Thema die Sendung kreist. Das nicht
verhindert zu haben, war zuletzt das große Versäumnis Sabine
Christiansens.
Doch selbst, wenn Will ab morgen alles anders, vielleicht sogar
besser macht, kritischer ist, informierter, distanzierter: Im Talk-TV
überzeugt nicht das beste Argument, es überzeugt die sicherste
Pointe. Der telegene Profi in Sachen Selbstdarstellung wird dem
trockenen Experten immer den Schneid abkaufen.
Das müsste so schlimm nicht sein, gäbe es unter dieser Meta-Ebene von
Politik noch ein Forum für die eigentliche Gestaltung unseres
Gemeinwesens. Aber wer nimmt sich schon noch die Zeit, einer
Bundestagsdebatte zu folgen, wenn man das vermeintlich Wesentliche so
schön zurechtgestutzt aufs TV-Tablett gelegt bekommt? Diese Frage
muss sich längst nicht mehr nur das Wahlvolk stellen lassen. Die
politische Kaste macht es nicht anders. Und wer etwas loswerden
möchte, stellt sich vorzugsweise nicht ans parlamentarische
Rednerpult, der hofft auf eine Talk-Einladung.
Will kann das Rad nicht neu erfinden. Und ob sie will oder nicht, ist
sie ab morgen eine der wichtigsten Personen im deutschen Politzirkus.
Nicht als Conférencier, sondern als Akteur. Als solcher trägt sie
eine enorme Verantwortung.Denn gerade in Zeiten der großen
Koalitionen wäre es schön, richtete jemand das Augenmerk wieder mehr
auf Inhalte als auf Köpfe.
Nimmt Will diese Verantwortung ernst und wahr, kann ihr Talk ein
Segen sein. Dann entlarvt sie die hohlen Phrasen der allzu
Selbstgewissen, hilft sie den Schüchternen, ihre Erkenntnisse zu
formulieren, und nimmt sich selbst zurück. Denn auch die neue
Präsidentin der Medienrepublik Deutschland ist letztlich nichts
weiter als eine Moderatorin. Wenn wir Glück haben, eine gute.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

92873

weitere Artikel:
  • WAZ: Wittke fehlt das Gespür - Leitartikel von Christoph Meinerz Essen (ots) - Landesbauminister Oliver Wittke ist gerade dabei, sich schwer die Finger zu verbrennen. Denn er betreibt ein Spiel mit dem Feuer. Einen beruflich gescheiterten Bekannten wieder auf einen lukrativen Posten hieven zu wollen, für den er das Vorschlagsrecht hat, das ist kein ehrbarer Freundschaftsdienst, sondern Vetternwirtschaft. Die hat in der Politik nichts zu suchen. Selbstverständlich verdient auch ein mit Eigenverschulden gestrauchelter Banker eine zweite Chance auf dem Arbeitsmarkt. Dass ihm jedoch sein alter Freund mehr...

  • Rheinische Post: Energie - großes Streitthema Düsseldorf (ots) - Von Georg Winters Energie (ver)braucht jeder, bei Energie kann vermeintlich jeder mitreden. Deswegen taugt die Diskussion darüber, ob Strom, Öl und Gas zu teuer sind, wie kaum eine andere bei dem Versuch, sich in der politischen Debatte zu profilieren. Wie so oft, wenn sich Energie-Manager, wie jetzt der Eon-Chef Wulf Bernotat, mit ihren provokativen Aussagen zur Angemessenheit der eigenen Preispolitik selbst an den Pranger stellen, bricht in der politischen Landschaft der Aktionismus aus. Der Bundesrat soll dem mehr...

  • Rheinische Post: Keine Irak-Strategie Düsseldorf (ots) - Von Frank Herrmann Viel Lärm um nichts. So kann man, bissig formuliert, das Spektakel beschreiben, das diese Woche über die Washingtoner Bühne ging. Am Anfang erstattete der Irak-Kommandeur David Petraeus dem Kongress Bericht, ein Auftritt, der sich wegen der Flut präsentierter Grafiken im Gedächtnis festhaken wird. Am Ende verdichtete George W. Bush die Bilanz des Generals zu einer Strategie, die keine ist. Keine Ziele, keine Fahrpläne, keine klaren Konzepte. Kein Wort davon, wie die härteste Nuss geknackt werden mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Die weitere Irak-Politik von Präsident Bush Die neuen Kriegsziele Cottbus (ots) - Es wäre ein allzu leichtes Unterfangen, die jüngsten Stehversuche von George W. Bush in Sachen Irak mit sarkastischen Randbemerkungen zu versehen. Manches von dem, was der amerikanische Präsident jetzt in seiner Fernsehrede an die Nation zum Besten gab, hat tatsächlich fast schon absurden Charakter. Denn angesichts der Lage in dem geplagten Land davon zu reden, dass die USA wieder die Initiative zurückgewonnen hätten, ist bei objektiver Betrachtung schamlos und ignorant. Aber der Tunnelblick des Mannes im Weißen Haus hat mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Die Koalition und die EU-Zuwanderungspläne Jenseits vom Tellerrand Cottbus (ots) - An der Zuwanderung haben sich in Deutschland noch immer die politischen Geister geschieden. So gesehen ist es erstaunlich, dass Union und SPD der Blue Card von EU-Kommissar Frattini in trauter Eintracht die Rote Karte zeigen. Die Gründe sind in einem gerade erst mühsam errungenen Mini-Kompromiss auf diesem Gebiet zu suchen, aber auch in einem gängigen Totschlagsargument. Angesichts von 3,7 Millionen Arbeitslosen verbiete sich ein Nachdenken über den Zustrom ausländischer Arbeitskräfte. Merkwürdig nur, dass immer mehr mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht