Westdeutsche Zeitung: Meisner = von Eberhard Fehre
Geschrieben am 17-09-2007 |
Düsseldorf (ots) - Natürlich ist Kardinal Meisner kein Nazi, obwohl sein schon merkwürdiger Hang zur Provokation ihn gelegentlich und wohl nicht zufällig in gefährliche Nähe zum braunen Jargon führt. Und selbstverständlich hat der Kirchenmann auch das Recht, Umstrittenes bis hin zum Unfug zu äußern - unsere Politiker tun das schließlich auch. Bedenklich aber wird dies, wenn es zum Markenzeichen zu werden droht. Wenn Meisner die Stammzellforscher an der Uni Köln als "Kannibalen vom Rhein" beschimpft, Abtreibung als "Holocaust" bezeichnet oder den Begriff "entartet" für angemessen hält - dann arbeitet der Kardinal erfolgreich an seinem Image als Provokateur. Doch die wohlfeile Erregung über die skandalöse Wortwahl des Kardinals sollte nicht vergessen lassen, dass auch in der Sache Meisners Anmaßung eine Antwort verdient. Kunst ohne Gott, so sein Urteil, sei "entartet" oder "verkommen". Es gab und gibt große Kunst, die von der Religion inspiriert ist, man denke nur an Bach. Es gab und gibt ebenso große Kunst, die von der Auseinandersetzung mit der Religion lebt. Man denke nur an die klassische griechische Tragödie, die die Anmaßung der Götter in Frage stellt. Denn auch und gerade das ist Thema der Kunst: Ob ein Gott oder Götze, in welchem Gewand auch immer, oder nicht doch der Mensch Maßstab aller Dinge ist. Vieles, wenn nicht alles, was wir heute als abendländisches Erbe zu den universellen Werten rechnen, verdankt sich dem Konflikt mit der Kirche. Was gewiss nicht immer ein einseitiger Prozess war. In Renaissance und Aufklärung hat auch die Kirche ihren Part gespielt. Aber die Scheiterhaufen der Inquisition dienten wohl kaum der Erleuchtung. Und dass die Kirche heute das fünfte Gebot einhalten muss, ist auch nicht ihr Verdienst. Ist es unangemessen, den Kardinal daran zu erinnern? Selbst diejenigen, die der Kirche nicht besonders nahestehen, verhalten sich in den Räumen des Sakralen mit Anstand und Respekt. Dass dies der Kardinal in den Gefilden der Wissenschaft und der Kunst, in die es den Kölner immer wieder zieht, ebenso hielte, wird wohl niemand sagen können. Und das - dieser Mangel an Anstand und Respekt - ist wohl das eigentlich Schlimme an Joachim Meisner. Und nicht die verunglückte Wortwahl in dem einen oder anderen Fall.
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