Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Mindestlohn/zur Post
Geschrieben am 01-10-2007 |
Bielefeld (ots) - Da reiten sie, Münte und all die anderen edlen Ritter von Brandner bis Bsirske. Die noblen Herren von der SPD und von Verdi haben Harnisch angelegt. Sie sind bereit, sich im Kampf um Mindestlöhne selbst mit der Kanzlerin anzulegen. Moralisch gesehen sitzen sie auf sehr hohen Rössern. Wer will schon Arbeitgeber verteidigen, die ihren Leuten offenbar nicht mal so viel Lohn bezahlen, dass sie davon leben können? Die Kulisse steht. Wenn nicht alles täuscht, soll sie - ein bisschen verbreitert - im nächsten Bundestagswahlkampf auch als Fassade für eine SPD herhalten, die sich von der Schröder-Ära verabschiedete und nun als neu belebte Partei der sozialen Gerechtigkeit um Stimmen werben wird. Dagegen ist erstmal nichts einzuwenden - außer dass die betroffenen Postboten vielleicht doch lieber etwas als überhaupt kein eigenes Geld verdienen. Denn das ist klar: Wenn die privaten Postfirmen, die überwiegend aus dem Medienbereich kommen, keine Chance sehen, gegen die Jahrhunderte durch staatliches Monopol geschützte gelbe Post zu bestehen, werden sie sich zurückziehen. Insbesondere die mittelständischen Zeitungsverlage, die sich im Zeitalter des Internet schon schwer tun, ihr angestammtes Geschäft weiter zu entwickeln, können es sich nicht leisten, in ein dauerhaftes Zuschussgeschäft zu investieren. 50000 Stellen, die, was selten genug der Fall ist, auch Langzeitarbeitslosen offen stehen, sind gefährdet. Keine »Peanuts« also. Die edlen Ritter von der SPD und von Verdi mögen trotzdem kämpfen - nur nicht auf ökonomischen Feld, wo sie mit dem Mindestlohn Jobs vernichten. Es sind in den vergangenen Jahrzehnten schon viel zu viele einfache Arbeitsplätze verloren gegangen, in denen eher praktisch begabte Arbeitswillige zuvor neben Lohn auch Anerkennung und Selbstwertgefühl gefunden haben. Der Kampf um einen ausreichenden Lohn muss in diesem Fall auf sozialem Feld ausgefochten werden. Das geeignete Instrument ist längst gefunden: der Kombilohn. In Bereichen, in denen ausreichende Löhne nicht finanzierbar sind, ist es für alle Beteiligten - Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Staat - besser, den fehlenden Rest zu einem auskömmlichen Lohn durch Zuschuss aufzustocken als den gesamten Betrag für Nichtstun aus der Sozialkasse zu bezahlen. Was ist es überhaupt für eine Art, einen Tarifvertrag auszuhandeln, ohne einen Großteil der Arbeitgeber dazu einzuladen? Von Seiten der Deutschen Post AG und ihres Chefs Klaus Zumwinckel ist das Manöver durchschaubar. Verdi aber hat sich damit keinen Gefallen getan. Eigentlich wäre es nur logisch, wenn die Arbeitnehmer in den jungen Konkurrenzbetrieben nun ihrerseits eine gewerkschaftliche Vertretung notfalls außerhalb des DBG wählten und einen eigenen Tarifvertrag aushandelten. Es ist an der Zeit, dass die Bundeskanzlerin, die bisher richtigerweise auf die »Basta«-Politik des Vorgängers verzichtet hat, ihren Vize Münte und die anderen traurigen Ritter zur Ordnung ruft.
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