Westdeutsche Zeitung: Nobelpreise = Von Christoph Lumme
Geschrieben am 10-10-2007 |
Düsseldorf (ots) - Die Nobelpreise sind Balsam für die von Selbstzweifeln zerfressene deutsche Seele. Da stört es wenig, dass mit Ertl und Grünberg Männer ausgezeichnet werden, deren preiswürdige Leistungen aus dem vergangenen Jahrhundert stammen und deren Erkenntnisse vor allem von asiatischen und amerikanischen Konzernen vermarktet werden. Tatsächlich ist der Forschungsstandort Deutschland nicht nur besser als sein Ruf: er zählt sogar zur Weltspitze. Der Massenexodus von Spitzenkräften in die USA steht zwar auf der Liste unserer Schreckensszenarien, ist aber in dieser Form ein Mythos. Wahr ist, dass der internationale Wettbewerb um die Stars der globalen Wissensgesellschaft härter wird. Wahr ist auch, dass jährlich tausende deutsche Wissenschaftler in das hochentwickelte Forschungsland USA wechseln. Doch diese Form der Mobilität hat wenig mit dem gefürchteten "brain drain" zu tun, dem Abfluss der Intelligenz durch die Flucht der Superhirne. Im Gegenteil: Der Austausch von geistigem Potenzial ist auch im Land der Dichter und Denker längst zur Grundvoraussetzung für wissenschaftliche Dynamik geworden. Zahlen der Deutschen Forschungsgemeinschaft belegen, dass viele Spitzenkräfte gehen, um später mit einem wertvollen Importgut im Kopf zurückzukehren: Wissen. Die Heimat lockt wieder, denn auch ohne Elite-Universitäten ist Deutschland mittlerweile in vielen Bereichen exzellent aufgestellt: Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Institute und die Helmholtz-Gemeinschaft vernetzen Grundlagenforschung und angewandte Forschung immer enger. Unternehmen, Institute und Universitäten bündeln ihre Kräfte; der Rohstoff Wissen befeuert Arbeitsmarkt und Wirtschaftskraft gleichermaßen. Doch noch sind auch die Schwächen des Standortes unübersehbar. Die Hochschullandschaft ist in weiten Teilen marode, Wissenschaftler ersticken in Bürokratie, akademische Karrieren vollziehen sich im Zeitlupentempo, Fördergelder versickern. Und dann ist da noch das lähmende Berufsbeamtentum, das Lehrstuhl-Inhabern eine Existenz jenseits der Leistungsgesellschaft ermöglicht. Deutschland ist vielversprechend in die Wissensgesellschaft aufgebrochen, angekommen ist es allerdings noch nicht.
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