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Westdeutsche Zeitung: Mangel an männlichen Grundschullehrern = von Friedrich Roeingh

Geschrieben am 14-10-2007

Düsseldorf (ots) - Politiker nutzen die relative Nachrichtenflaute
eines Wochenendes gern, um ein Thema (und damit auch sich selbst) zu
platzieren. Wenn Nordrhein-Westfalens Bildungsministerin Barbara
Sommer mehr männliche Lehrer in der Grundschule fordert, dann macht
sie zwar auf ein gesellschaftliches Problem aufmerksam: Das
bedenklich schlechtere Abschneiden der Jungen in unserem
Bildungssystem. Einen Lösungsvorschlag aber kann die Ministerin nicht
präsentieren. Die Aufforderung, mehr männliche Abiturienten mögen
doch bitte ein Lehramtsstudium für die Primarstufe anstreben,
dokumentiert nur ihre Hilflosigkeit. Wenn Sommer die Leistung der
Grundschullehrer im Verhältnis zu deren Kollegen künftig angemessen
entlohnen wollte, wäre das schon etwas Anderes.
Die Analyse der schlechteren Bildungschancen der Jungen greift im
übrigen viel zu kurz. Nach den Erfolgen der
Gleichberechtigungsbewegung für Frauen und Mädchen laufen wir Gefahr,
die Lösung unserer Bildungsprobleme in einer Emanzipation unter
umgekehrten Vorzeichen zu sehen - noch bevor die qualifizierten
Frauen bereits in angemessener Zahl in Führungspositionen angekommen
wären. Natürlich fehlen vielen Jungen, die bei alleinerziehnden
Müttern aufwachsen, von Erzieherinnen betreut und von
Grundschullehrerinnen unterrichtet werden, männliche Vorbilder und
Wissensvermittler.
Die weitaus tieferen Ursachen unserer Bildungsmisere liegen aber in
der mangelhaften Integration ausländischer Kinder und der zunehmenden
sozialen Verwahrlosung von Schülern - die nicht nur in der
Unterschicht immer stärker sich selbst überlassen werden. Wenn auch
in diesen Fällen überschdurchschnittlich viele Jungen auf der Strecke
bleiben, lässt sich das nicht durch mehr männliche Lehrer beheben.
In Deutschland muss wenigstens das letzte Kindergartenjahr kostenlos
und verpflichtend werden, weil im Vorschulalter die Wurzeln für die
Bildungskarriere gelegt werden. Und wir brauchen die Ganztagsschule
als Regelfall, die allen Schülern Bildung und soziales Lernen am
Nachmittag ermöglicht. Die bisherige Ganztagsschul-Politik zielt
dagegen allein darauf ab, berufstätigen Eltern die Betreuung ihrer
Kinder zu ermöglichen.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

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Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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