Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Venezuela:
Geschrieben am 29-09-2010 |
Bielefeld (ots) - Der venezolanische Präsident Hugo Chavez
polarisiert: Während ihn die Armen bejubeln, halten ihn seine Gegner
für einen korrupten und gefährlichen Diktator. Chavez hat noch viele
Freunde, zugleich kämpft eine bürgerlich-sozialdemokratische Allianz
aus 24 Parteien gegen den »Führer des Sozialismus im 21.
Jahrhundert«. Nun ist die Parlamentswahl entschieden: Die
Chavez-Koalition aus Sozialisten und Kommunisten hat zwar die
absolute Mehrheit errungen, die angestrebte Zweidrittelmehrheit
konnte sie nicht gewinnen. Hugo Chavez' Stern sinkt. Das Land hat
viele Probleme: Rezession und Inflation belasten die Wirtschaft,
Kriminalität und Unzufriedenheit verunsichern das Volk, Korruption
und Unfähigkeit lähmen die Politik, während der Staat die Medien
drangsaliert. Drogenhandel, Bandenkriege, Polizeikorruption und
Jugendkriminalität wachsen dramatisch, Stromausfälle und
Wasserknappheit peinigen die Bürger, und die Politiker klagen über
Wahlmanipulationen durch eine Neuordnung der Wahlbezirke zu Ungunsten
der Opposition. Während Demokratie, Presse und Justiz leiden, krankt
die Wirtschaft. Die 30-prozentige Inflation liegt weit über dem
südamerikanischen Durchschnitt. Zwar hat Chavez die Armut halbiert
und die Sozialausgaben verdreifacht, doch seine Politik ruiniert das
Land: Die Wirtschaft wird nicht diversifiziert. Venezuela bezieht 90
Prozent seiner Einnahmen aus Erdölexporten, zugleich muss es 70
Prozent seiner Lebensmittel importieren. Das ist einfallslos und
unproduktiv. Jeder verantwortungsvolle Politiker weiß das. Chavez'
Fehler werden zunehmend durchschaut. Die Stimmung schlägt um, der
konservativ-sozialdemokratische Block wächst. Während viele
südamerikanische Länder die Demokratie festigen und die Wirtschaft
stabilisieren, stagnieren Wohlstand und Rechtsstaat in Venezuela. Man
wagt zu hoffen, dass der politische Umschwung demokratisch durch
Wahlen vollzogen werden kann; eine erneute Revolution oder ein
Militärputsch wären überflüssig. Venezuela kann sich politisch von
Chavez befreien und den Anschluss an die erfolgreichen Staaten
Lateinamerikas schaffen. Dafür muss Chavez als gescheitert erkannt
werden. So bleibt der Rückblick auf einen der letzten »Sozialisten«
der Welt. Chavez sieht sich als Nachfolger von Fidel Castro, als
Speerspitze der sozialistischen Revolution. Doch die meisten
Demokratien dieses Kontinents glauben nicht mehr an Klassenkampf und
ideologischen Eifer. Sie streben nach Geldwertstabilität,
Vollbeschäftigung, Freihandel, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.
Das Zeitalter der Globalisierung erfordert bessere Konzepte als den
gestrigen Sozialismus des Hugo Chavez. Er hat sich überlebt.
Originaltext: Westfalen-Blatt
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Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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