Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Volkszählung Zensus 2011 Kaltstart NICOLE HILLE-PRIEBE
Geschrieben am 08-11-2010 |
Bielefeld (ots) - Volkszählung 2011 - die zentrale Vollerfassung
hinter unserem Rücken", lautet einer der Slogans, mit denen
Datenschützer vor dem "Zensus 2011" warnen. Denn im Gegensatz zur
letzten Volkszählung 1987, die man mit einer persönlichen
Verweigerung gegen ein Bußgeld boykottieren konnte, werden die
meisten Bürger nächstes Jahr gar nicht erst gefragt - und im Vorfeld
offenbar auch lieber nicht richtig informiert. Stattdessen dürfen die
Behörden EU-weit tun, was sonst streng verboten ist: Datenbanken
miteinander verknüpfen und abgleichen, um einen gewaltigen Datenpool
in bisher noch nie dagewesenem Umfang zu generieren. Dazu haben sie
in jedem Land extra ein neues Gesetz geschrieben, das in Deutschland
"Zensusgesetz" heißt und von Bürgerrechtlern als "unausgereift und
datenschutzfeindlich" kritisiert wird. Den meisten Menschen in OWL,
die an der Vorbefragung zur Volkszählung teilnehmen sollen, flattert
das Formular vollkommen überraschend ins Haus. Dass das Thema noch
nicht in der öffentlichen Diskussion angekommen ist, liegt jedoch vor
allem an der mangelhaften Informationspolitik des Staates, der sich
auf seinem Weg zur riesigen Datenkrake ungerne in die Karten sehen
lässt. Der Kaltstart passt zur Basta-Politik der Regierungskoalition,
zum Durchpeitschen kontrovers diskutierter Projekte und Gesetze, zur
bürgerfernen Hybris der politischen Akteure und zum Kontrollwahn der
Behörden. Weil die Volkszählung in den 1980er Jahren massive Ängste
in der Bevölkerung hervorgerufen hatte, gibt es seit 1983 ein vom
Bundesverfassungsgericht festgeschriebenes Aufklärungsgebot, gegen
das in Deutschland offenbar ganz bewusst verstoßen wird. Nach
Stuttgart 21 und dem Castor-Transport hat der Zensus 2011 deshalb das
Potenzial für den nächsten Volksaufstand.
Originaltext: Neue Westfälische (Bielefeld)
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