WAZ: Zwischen de Maizière und Alice Schwarzer. Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 08-11-2010 |
Essen (ots) - Inzwischen warnt der Bundesinnenminister de Maizière
vor Terroranschlägen. Manchmal kommen eben auch Freunde wohlgesetzter
diplomatischer Floskeln an der bedrohlichen Wahrheit nicht vorbei.
Allerdings vermeidet der Minister Hinweise auf den islamistischen
Ursprung des Terrors. Das ist ihm dann wohl doch zu unbequem.
Alice Schwarzer ist keine Freundin der Diplomatie. Darum
vergleicht sie die Eiferer für Gottesstaat und Scharia mit den
Nationalsozialisten. Schließlich machten auch Islamisten kein Hehl
aus ihrem gegen Demokratie und Menschenrechte und Juden zielenden
Kampf wie Hitler in seinem Kampf-Buch. Schwarzers Provokation hat ein
Ziel. Sie kritisiert, dass die westlichen Gesellschaften nach dem
Faschismus auch dem Islamismus nicht entschieden genug entgegen
getreten seien. Sie hätten immerhin die Diskriminierung von
Musliminnen möglich gemacht - unter der naiven Überschrift
kultureller Differenz.
Da ist es nur konsequent, den Bundespräsidenten anzugreifen. Und
zwar, weil Christian Wulff keine Einwände erhob, als die türkische
Präsidentengattin Hayrünnisa Gül an der Seite von Wulffs Frau die
Militärparade abschritt - mit Kopftuch. Wulff, so Schwarzer, habe die
politische Provokation nicht erkannt. Vielleicht wollte er auch nur
einen diplomatischen Eklat vermeiden. Tatsächlich tobt in der Türkei
ein Kulturkampf um die weltliche Verfassungsordnung, in deren Zentrum
das Kopftuch steht, die "Flagge der Islamisten", wie Schwarzer sagt.
Der Regierungschef will das Kopftuchverbot aufweichen, die
Präsidenten-Ehefrau hilft ihm bei der offensichtlichen Unterwanderung
der laizistischen Verfassung des Landes. Schwarzer erspart der
Regierung in Ankara auch nicht den Hinweis, dass sich der
Regierungschef seinen Wahlkampf vom Mullah-Regime im Iran finanzieren
lässt.
Der türkische Ministerpräsident Erdogan hält Deutschland
"Islamphobie" vor; angesichts der besorgniserregenden Entwicklungen
in seinem Land sollte er sich nicht wundern. Jedenfalls hat Erdogan
einen anderen Islam-Begriff als etwa Wulff, der Religion, wie er es
vom Christentum gelernt hat, als Privatsache betrachtet und daher
auch den Islam quasi dem Grundgesetz unterstellen will. Allerdings
ist der Islam schillernd, die Grenzen zwischen dem privaten, dem
politischen und dem fundamentalistischen Islam sind nicht immer klar.
Wenn nicht alles trügt, nimmt in ganz Europa das Gefühl zu, bedroht
zu sein. Wer die westlichen Werte und ihren auch christlichen
Ursprung selbstbewusst lebt, kommt mit der Herausforderung der
offenen Gesellschaft besser klar.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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