Lausitzer Rundschau: Das kleinere Übel Bundesregierung hält an Rente mit 67 fest
Geschrieben am 17-11-2010 |
Cottbus (ots) - Der Streit um die Rente mit 67 scheint sich auf
die Deutung von Statistiken zu reduzieren. Regierung und Opposition
operieren mit offiziellen Zahlen - und ziehen gegensätzliche
Schlüsse. Dass es zu diesem Verwirrspiel kommen konnte, ist den
Ängsten vor der eigenen politischen Courage geschuldet. Als die große
Koalition 2007 mit der schrittweisen Anhebung des
Renteneintrittsalters um zwei Jahre eine denkbar unpopuläre
Entscheidung traf, suchte sie gleichzeitig die Kritiker mit einem
Placebo im Kleingedruckten zu beruhigen. Demnach hängt der Bestand
des Gesetzes von den Arbeitsmarktchancen der Älteren ab, die alle
vier Jahre zu überprüfen sind. Allerdings wurden dafür keine
konkreten Kriterien definiert. Dabei ist die Rente mit 67 ein
Langzeitprojekt. Sie baut sich über fast zwei Jahrzehnte in
Monatsschritten auf. Nur wer heute 46 und jünger ist, muss volle zwei
Jahre später als die derzeitigen Rentner in den regulären Ruhestand
gehen. Das gilt ab dem Jahr 2031! Angesichts dieser zeitlichen
Dimension ist es weniger entscheidend, was sich heute auf dem
Arbeitsmarkt tut, sondern in den nächsten Jahrzehnten. Erst vor ein
paar Tagen ließ eine Meldung aufhorchen, wonach die Geburten in
Deutschland auf einen historischen Tiefstand abgesackt sind. Und zwar
auch deshalb, weil es immer weniger Frauen im gebärfähigen Alter
gibt. In 20 Jahren werden selbst bei hoher Zuwanderung auf einen
Rentner nur noch etwa zwei Beitragszahler kommen. 1960 lag das
Verhältnis noch bei 1:5. Eine Verkürzung der Rentenbezugsdauer ist
vor diesem Hintergrund noch das kleinere Übel, zumal der Arbeit in
Zukunft eher die Arbeiter auszugehen drohen als umgekehrt den
Arbeitern die Arbeit. Dass die Personalchefs damit automatisch um
alle Älteren buhlen werden, ist freilich kein Naturgesetz. Hier
liegen die eigentlichen politischen Herausforderungen. Flexible
Lösungen beim Renteneintritt etwa in Form eines Ausbaus der Teilrente
sind genauso notwendig wie ein Qualifizierungsschub für schwer
vermittelbare Arbeitnehmer. Leider ist der Bundesregierung bislang
wenig dazu eingefallen. So richtig ihre Entscheidung ist, an einer
Verlängerung der Lebensarbeitszeit festzuhalten, so sehr fehlt es
bislang an geeigneten Rahmenbedingungen für eine altersgerechte
Arbeitswelt. Die muss es weit vor 2031 geben, wenn die Rente mit 67
nicht Armut per Gesetz sein soll.
Originaltext: Lausitzer Rundschau
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