Westdeutsche Zeitung: Heiner Geißler entschärft den Streit um Stuttgart 21 = Von Christoph Lumme
Geschrieben am 30-11-2010 |
Düsseldorf (ots) - Heiner Geißler sprach anfangs von einem
Demokratie-Experiment, tatsächlich hat er unserem politischen System
eine Sternstunde beschert. Mit seinem Schlichterspruch erreichte der
Mediator das, was nach der Eskalation der Gewalt in Stuttgart kaum
jemand für möglich gehalten hatte: die verhärteten Positionen
zwischen protestierenden Bürgern und Projektplanern aufzuweichen, das
Gift der gegenseitigen Unterstellungen mit dem Gegengift der
Sachlichkeit zu neutralisieren. Hunderttausende Deutsche erlebten in
den vergangenen Wochen vor ihren Fernsehern, wie Demokratie im
Idealfall funktionieren kann. Während in den Parlamenten Polemik,
Sprücheklopferei und unverständlicher Fachjargon die
Politikverdrossenheit schüren, gelang es Geißler, die Menschen mit
drei Kunstgriffen zu erreichen: Erstens verhinderte er, dass die
Streitenden aufeinander losgingen und brachte sie dazu, gesittet ihre
Sicht der Dinge darzustellen. Zweitens sorgte er dafür, dass die
Argumente und Gegenargumente nicht im rhetorischen Nebel der
Strategen verschwanden, sondern plastisch zu Tage traten. Und
drittens zeigte er, dass sich die demokratische Meinungsbildung nicht
auf das Konsumieren markanter Sprüche verkürzen lässt, wie uns die
Wahlkämpfe vorgaukeln, sondern eine in ihrer Akribie zum Teil auch
ermüdende Detailanalyse mit sich bringt. Gerade diese Anstrengung,
die Geißler seinem Publikum abverlangte, führte bei den Kritikern und
Befürwortern des Projekts zu dem gemeinsamen Grundgefühl, ernst
genommen zu werden. Geißlers geglücktes Experiment ist kein Plädoyer
für eine direkte Demokratie der Volksentscheide. Aber es zeichnet
einen Weg vor, die bestehende repräsentative Demokratie zu
sensibilisieren, zu stärken und um ein Instrument zu bereichern.
Warum sollte es in einem Schlichterverfahren nicht auch gelingen,
andere Konfliktherde wie etwa Gorleben durch ein Schlichterverfahren
nach dem Stuttgarter Vorbild zu befrieden? Eine Lektion hat Heiner
Geißler der politischen Klasse in jedem Fall mit auf den Weg gegeben:
Nie wieder wird es in Deutschland ein Großprojekt geben, das an den
Bedenken vieler Menschen vorbei durchgedrückt wird.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2
Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
303820
weitere Artikel:
- Mitteldeutsche Zeitung: zu Stuttgart 21 Halle (ots) - Auch wenn die Geißler-Show für eine einvernehmliche
Lösung im S-21-Streit zu spät kam: Das Modell muss Schule machen.
Großprojekte werden künftig nicht mehr in der althergebrachten
Methode durchgeführt werden können. Die Schlichtung hat gezeigt, mit
wie viel Sachverstand die Bürger komplexe Vorhaben begleiten und
sogar machbare Alternativen entwickeln können. Die Bürger müssen mehr
Möglichkeiten bekommen, als nur "Einwände" im
Planfeststellungsverfahren erheben zu können. Die Politik ist gut
beraten, die Mitsprache mehr...
- Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zum Ende der Schlichtung Stuttgart (ots) - Der Alternative der S-21-Gegner erteilte auch
Geißler eine klare Absage. Für die Modernisierung des Kopfbahnhofs
gebe es weder eine Planung noch eine Finanzierung. Zudem eröffnet S
21 mit der Beseitigung des riesigen Gleisfeldes weitaus bessere
städtebauliche Perspektiven. Kein Klein-Manhattan, kein
Spekulationsobjekt dürfe dort entstehen, mahnt Geißler. Das Quartier
Rosenstein werde ökologisch, bezahlbar und familienfreundlich,
sichern Ministerpräsident Stefan Mappus und OB Wolfgang Schuster zu.
Eine Stiftung mehr...
- RNZ: Verwertbar Heidelberg (ots) - Ein Kommentar der Rhein-Neckar-Zeitug zum
Karlsruher Beschluss über CDs mit Steuerdaten - von Daniel Bräuer:
Der Beschluss aus Karlsruhe ist kein Freibrief, und schon gar keine
Anordnung, an Steuerdaten alles zu kaufen, was der Schwarzmarkt so
hergibt. Er ist eine Versicherung für die Vertreter der Justiz: Sie
dürfen Daten von Steuer-CDs als Beweismittel verwenden, ohne Gefahr
zu laufen, damit vor Gericht zu scheitern. Im vorliegenden Fall
diente die Liechtenstein-CD nur für den Anfangsverdacht, um weitere
Ermittlungen mehr...
- Lausitzer Rundschau: Zum Schlichterspruch zu Stuttgart 21 Cottbus (ots) - Millionen interessierter Zuschauer vor den
Fernsehern, ein weiser alter Mann, der gewieft die Runde geführt hat,
und Beteiligte, die ihre Argumente sachlich ausgetauscht haben - das
war die Schlichtung zu Stuttgart 21. Sie war ein positives
Demokratie-Erlebnis, auch wenn sie am Ende keine wirkliche Lösung
brachte. Und sie könnte die Debattenkultur in Deutschland verändern,
letztlich das Verhältnis von Politik und Bürgern. Man tritt Heiner
Geißler nicht zu nahe, wenn man sagt, dass er sich in seiner Funktion
als mehr...
- Ostsee-Zeitung: Kommentar zu Stuttgart 21 Rostock (ots) - Sechs Wochen Schlichtung sind vorbei in Stuttgart.
Was haben sie gebracht? Erstens die Erkenntnis, dass eine Schlichtung
einem Konflikt die Schärfe nehmen kann. Für anderthalb Monate gab es
keine Auseinandersetzungen mehr, und wenn, dann wurden sie unter dem
wachen Auge der Fernsehkameras sachlich ausgetragen. Zweitens die
Erfahrung, dass eine Schlichtung nicht immer einen goldenen Mittelweg
als Ergebnis haben kann. Das lag hier schon in der Natur der Sache.
Man kann keinen halben Bahnhof abreißen und einen halben mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|