BERLINER MORGENPOST: Riskante Mauscheleien um die Flugrouten - Leitartikel
Geschrieben am 10-12-2010 |
Berlin (ots) - Zwei Milliarden Euro sind bereits für den neuen
Großflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) in Schönefeld
verbuddelt worden. Doch auch eineinhalb Jahre vor dem geplanten
Take-off von den neuen Betonpisten wird weiter über die
Sinnhaftigkeit von Berlins künftiger "Jobmaschine" gestritten. In der
seit Wochen tobenden und wohl letzten Schlacht geht es um die
künftigen Flugrouten und damit um die Ruhestörung im Süden Berlins
und dem angrenzenden Brandenburg. Sie könnte für die gesamte
Hauptstadtregion dramatisch - weil zulasten der Flughafenbetreiber -
enden, seit dieser Tage ein Schreiben von nicht zu unterschätzender
Brisanz in die Öffentlichkeit lanciert wurde. In ihm bat 1998 der
damalige Flughafen-Chef das Bundesverkehrsministerium um Hilfe. Es
solle doch bitte Einfluss auf die ihm unterstellte Deutsche
Flugsicherung (DFS) nehmen, um durch eine veränderte Stellungnahme zu
den künftigen Flugrouten den Planfeststellungsantrag für BBI nicht zu
gefährden. Aus dem Brief wird deutlich, dass das von den heute
Verantwortlichen so lange bestrittene Wissen um die Problematik
paralleler Flugbewegungen seit 1998 bekannt ist. Schon damals teilte
die DFS in einer Stellungnahme mit, dass nicht parallel geflogen
werden dürfe, sondern nur in einem Winkel von mindestens 15 Grad. Die
Bitte des BBI-Chefs wurde wohl auf ministeriellen Druck hin erhört:
Die DFS schickte prompt eine neue Stellungnahme, nach der die
vorgesehene "Streckengeometrie", also Parallelflüge, "grundsätzlich"
akzeptabel sei. Das ist ein ziemlich starkes Stück politischer
Einflussnahme auf die unbequeme Botschaft einer untergeordneten
Behörde. Selbst der Vorwurf von Mauschelei, gar Manipulation liegt
nah. Ob das alles rechtlich relevant ist, wie es die Kläger und deren
Anwälte jetzt hoffen, müssen die Richter in Leipzig entscheiden.
Sollten sie zu diesem Ergebnis kommen, wäre das für Berlin und
Brandenburg eine Katastrophe. Nicht nur die Eröffnung 2012 wäre
gefährdet, sondern das ganze Projekt BBI. Und damit die wichtigste
Investition für die wirtschaftliche Zukunft der Region. Die neue Lage
ist also weit ernster, als die Geschäftsführung der Berliner
Flughäfen offensichtlich glaubt. Zugleich werden sich Wut und Kampf
der von den künftigen Flugrouten betroffenen Menschen steigern. Weil
Senat und BBI-Planer sie getäuscht haben. Damit sind wir im Berliner
Vorwahlkampf angekommen. Der Regierende Bürgermeister wird nach
Vorlage dieses Briefes überzeugend erklären müssen, seit wann er
wirklich darum weiß, dass die so lange verkündeten Parallelstarts gar nicht mehr erlaubt sind. Renate Künast andererseits scheint schon
seit Tagen mehr gewusst zu haben, nachdem sie pauschal gefordert
hatte und dafür viel kritisiert wird, dass der Senat alle Planungen
für BBI offenlegen und über den Flughafen grundsätzlich nachgedacht
werden müsse. Und jetzt wird auch verständlich, warum
Verkehrsminister Peter Ramsauer vor ein paar Tagen den
BBI-Verantwortlichen die unliebsame Empfehlung gab, darüber
nachzudenken, "ob parallele Starts überhaupt notwendig sind". Sollte
BBI tatsächlich - in welcher Form auch immer - infrage gestellt
werden, wäre das für Berlin ein wirtschaftlicher Rückschlag, von dem
sich die Stadt schwerlich erholen würde.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST
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