(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Ambition und Aufregung - Leitartikel

Geschrieben am 13-12-2010

Berlin (ots) - Eins vorweg: Es gibt ausreichend Gründe, über den
Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu streiten; über Sinn und
Zweck, über Strategie und Ausrüstung, über Freund und Feind. Ob der
amtierende Verteidigungsminister zu einem seiner durchaus zahlreichen
Besuche bei der Truppe seine Ehefrau mitnimmt, meinetwegen auch noch
einen Talkshow-Moderator, gehört eher nicht zu diesem ernst zu
nehmenden Debatten-Repertoire. Die Soldaten vor Ort werden beides mit
großer Sicherheit unbeschadet überleben. Die meisten werden das
dazugehörige Tamtam als ganz willkommene Ablenkung annehmen. Es gibt
ja nicht zu viel davon im Staub von Kundus. Die Damen und Herren
Roth, Gysi, Gabriel dürfen also gerne wieder auf den Teppich
zurückkehren, vielleicht auch in jene Talkshows, in denen sie selbst
zur unvermeidlichen Stammbesetzung gehören - nicht der
Verteidigungsminister, auch nicht seine Ehefrau. Die künstliche
Aufregung über Selbstinszenierung und politische Ambition, über das
Verhältnis von Familie und Beruf im politischen Alltag, fällt
übermorgen auf sie selbst zurück. Ganz abgesehen von der
überheblichen Einschätzung, ein Moderator ließe sich von diesem oder
jenen, auf jeden Fall aber vom politischen Gegner, mal eben vor den
Karren spannen. Diese plumpen Zeiten gehören Gott sei Dank der
Vergangenheit an. Man muss kein Kerner-Fan sein, um das auch diesem,
eher im seichten Gewässer beheimateten TV-Kollegen zu attestieren.
Roth, Gabriel, vielleicht auch Gysi, sie alle können, sollen, müssen
uns ja in absehbarer Zeit wieder regieren; etwas mehr Demut, ein
wenig mehr Abgeklärtheit und die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem
zu unterscheiden, wäre deshalb wünschenswert. Auch im eigenen
Interesse. Man verbraucht sich sonst immer schneller. Allzu üppig ist
dieses Land nicht ausgestattet mit Politikern, denen man auch Gutes
zutraut, nicht nur Lautes. Karl-Theodor zu Guttenberg, keine Frage,
gehört zu dieser raren Spezies. Das - nicht seine Frau, auch nicht
seine guten Manieren oder ein Adelstitel - macht ihn zu einem für die
Menschen und damit auch für die Medien interessanten Politiker. Er
selbst weiß das. Die Verbindung von Willen zur Macht, der Fähigkeit,
sich Sachkompetenz auch auf fremdem Gebiet anzueignen, und Mut zu
Entscheidung und selbstbewusstem Auftritt, ist nicht jedem gegeben.
Aber man kann das lernen. Es lohnt sich also auch für andere
Verantwortungsträger, Guttenberg ein wenig genauer zu betrachten. Man
könnte was dazulernen. Also, alles gut für den Verteidigungsminister
in Afghanistan? Nein, nicht mal für ihn. Natürlich muss Guttenberg
auch auf sich selbst aufpassen, im Zweifel auch auf seine Berater.
Mediale Doppelschläge sind nicht zwingend zielführend. Wenn der
Bundesverteidigungsminister am Morgen abenteuerlustig ungeknöpft,
aber tadellos rasiert, mit dem Blick die Ferne taxierend, am Kiosk
liegt, "plus: Interview mit seiner Frau", dann braucht man am
Nachmittag nicht zwingend die ersten Bilder vom Blitzbesuch in
Afghanistan. Plus Frau Stephanie. Plus TV-Moderator. Jedes für sich
kein Problem, in der Ballung dennoch keine optimale Strategie für
einen, der mit Recht im Fokus steht - aber auch noch keine
überzeugende Lösung gefunden hat für das weitere Vorgehen in
Afghanistan.

Originaltext: BERLINER MORGENPOST
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

306103

weitere Artikel:
  • Westdeutsche Zeitung: Die Reise des Ehepaars zu Guttenberg birgt Risiken = Von Lothar Leuschen Düsseldorf (ots) - Die jüngsten Bilder aus Afghanistan lassen den Betrachter zwiegespalten zurück. Da ist einerseits das derzeit wohl sympathischste Politiker-Ehepaar Deutschlands, das die beschwerliche wie gefährliche Reise an den Hindukusch auf sich nimmt. Das ist durchaus zu begrüßen, vor allem aus Sicht der dort stationierten Soldaten. Die befinden sich im Krieg, riskieren tagtäglich Leib und Leben für eine Sache, von der sie nicht wissen, ob dafür zu kämpfen sich lohnt. Afghanistan tritt auf dem Weg in eine freie, tolerante mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Kein Geld, kein Rechtsfriede Zu den Ergebnissen des Runden Tischs Heimerziehung Cottbus (ots) - Der Runde Tisch Heimerziehung hat etwas für diese Gesellschaft Verstörendes festgestellt: In der jungen deutschen Nachkriegsdemokratie, auf die wir so stolz sind, gab es mehr als zwei Jahrzehnte lang ein flächendeckendes Unrechtssystem. Es hat 800000gesunde, aber wehrlose Kinder und Jugendliche aufgesogen, eingesperrt, vielfach misshandelt und mit 21Jahren geschädigt wieder ausspuckt. Heute sind die Betroffen 50 bis 70 Jahre alt, und viele von ihnen leiden schwer unter den Folgen. Materiell, mehr...

  • Rheinische Post: Entertainment am Hindukusch Düsseldorf (ots) - Der Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat sich mit seinem Blitzbesuch in Afghanistan endgültig als Showmaster der deutschen Politik etabliert. Dachte man nach der Israel-Reise von Bundespräsident Christian Wulff mit Tochter Annalena noch, die politische Familiensymbolik sei nicht zu toppen, legt Guttenberg einen drauf. Mit Ehefrau Stephanie und TV-Star Johannes B. Kerner kurz vor Weihnachten ins Feldlager nach Kunduz - das ist allerbestes Entertainment. Nur braucht das jemand am Hindukusch? mehr...

  • RNZ: Schwacher Trost - Kommentar zu Entschädigung für Heimkinder Heidelberg (ots) - Von Christian Altmeier Bis zu 800.000 Kinder wurden in westdeutschen Erziehungsheimen misshandelt, gedemütigt und zu "Sklavenarbeit" herangezogen. Viele von ihnen sind bis heute traumatisiert. Eine derart verpfuschte Kindheit lässt sich nicht mit Geld aufwiegen. Schon gar nicht wird dies mit jenen 2000 bis 4000 Euro gelingen, die die meisten ehemaligen Heimkinder nun als Ersatz für vorenthaltene Rentenbeiträge erhalten sollen. Die Empörung der Opferverbände ist daher verständlich. Doch hat der Runde Tisch mehr...

  • FT: Kommentar zu Guttenberg Flensburg (ots) - Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg weiß, wie man Volkes Emotionen bedient. Regelmäßige Truppenbesuche in Afghanistan hat er ebenso im Repertoire wie Auftritte auf dem roten Teppich - möglichst an der Seite seiner fotogenen Frau. Gerade dieser - vom Boulevard befeuerte - Glamour-Faktor des fränkischen Freiherrn ist es, der ihn zu Deutschlands beliebtestem Politiker gemacht hat. Doch jetzt hat "KT" den Bogen der Inszenierung überspannt. Seine vorweihnachtliche Afghanistan-Reise zu einem Familienausflug mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht