(Registrieren)

Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Europa vor dem Euro-Gipfel Deutsche Gewichtsprobleme KNUT PRIES, BRÜSSEL

Geschrieben am 15-12-2010

Bielefeld (ots) - Der Gipfel naht, und wieder geht es vorher hoch
her. Im Oktober waren es unter anderem die EU-Kommissarin Viviane
Reding und ihr Chef José Manuel Barroso, die Missfallen über Angela
Merkels Vorstellungen zur Krisenbewältigung bekundeten. Jetzt hat
erneut ein Chor der Missvergnügten die Stimme erhoben, mit dem
Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker an der Spitze. Und wieder
kann man aus dem Getöse nicht schließen, dass die Kanzlerin bei der
Brüsseler Zusammenkunft mit ihren Kollegen auf eine stabile Wand des
Widerstands stoßen wird. Die lauten Töne sind kein Zeichen von
Stärke, sondern Ausdruck von Frust über die eigene Schwäche. Es geht
keineswegs nur um Meinungsverschiedenheiten, wie die gemeinsame
Währung am besten zu schützen sei. Die Kritiker hegen vielmehr
grundsätzliche Zweifel an der Merkel'schen Europa-Politik. "Will
Deutschland noch Europa?", lautete am Mittwoch die Schlagzeile in der
französischen Zeitung La Croix. Die Kanzlerin findet den Verdacht
absurd. Sie nimmt für sich in Anspruch, dem Gemeinschaftswerk EU
"ziemlich leidenschaftlich und gut" zu dienen, und zwar da, wo es am
nötigsten ist. Denn wenn der Euro scheitere, sagt Merkel, "dann
scheitert Europa", und das werde sie nicht zulassen. Solche
Bekenntnisse haben den Argwohn nicht zerstreut. Das gilt übrigens
nicht nur für die Wahrnehmung in den Partnerländern, wie bei der
gestrigen Bundestagsdebatte daheim deutlich wurde. Das hat auch mit
dem herben Stil der Kanzlerin zu tun. Leidenschaftlichkeit ist bei
ihr ein interner Vorgang. Und Merkels europapolitischer Frontmann
Corsepius hat enorme Mühe, unter seinen Gesprächspartnern in den
anderen EU-Regierungen Vertreter der eigenen intellektuellen
Güteklasse zu erkennen. Da kommt dann gern als Anordnung rüber, was
besser Vorschlag wäre. Indes gibt es auch einen objektiven Grund,
warum so viele Partner das gute alte Europa durch eine rücksichtslose
neue Germania verfinstert sehen. Auf dem Papier des Lissabonner
Vertrages ist die Bedeutung des Mitglieds Deutschland - wie auch der
anderen Mitgliedsstaaten - stärker relativiert als je zuvor. Berlin
ist nur noch eine von 27 Hauptstädten, immer mehr Gesetzgebung wird
in Brüssel und Straßburg gemacht. Doch in der Praxis der Euro-Krise
ist es umgekehrt: Deutschland, die mit Abstand leistungsfähigste
Volkswirtschaft, ist der alles entscheidende Spieler. Ohne Merkel und
ihre finanziellen Ressourcen kann die Feste Euro gegen die
anstürmenden Kräfte des Marktes nicht gehalten werden. Mit ihr aber
geht es nur zu ihren Bedingungen. Diese Einsicht verbittert. Das ist
für die Berliner kein Grund, sich von den vernünftigen Konzepten
abbringen zu lassen, die sie zur Stärkung der Euro-Immunabwehr
entwickelt haben. Sie sollte aber Anlass sein, über eine bessere
Vermittlung nachzudenken. Das übergroße Gewicht der Deutschen in
Euroland ist nicht nur ein Problem der anderen. Es ist auch ein
deutsches Problem.

Originaltext: Neue Westfälische (Bielefeld)
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65487
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65487.rss2

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

306640

weitere Artikel:
  • Mitteldeutsche Zeitung: zur Eurokrise Halle (ots) - Angela Merkel muss ihre Linie fürs Hier und Jetzt festlegen und deutsche Interessen ganz praktisch wahren. Eurobonds würden Krisenstaaten die Kredite billiger machen. Für Deutschland würden sie die Kosten erhöhen. Deshalb ist Berlin dagegen. Außerdem ist das ein Anreiz zu staatlicher Sparpolitik, denn die wird durch niedrigere Zinsen an den Kapitalmärkten erhöht. Auch das ist einfach. Aber brutal. Doch es hilft nichts. Europa braucht zwar mehr gemeinsame Politik, aber das Ziel muss mehr Haushaltsdisziplin sein. Nicht mehr...

  • Rheinische Post: Merkels Euro-Kurs Düsseldorf (ots) - Es war nicht anders zu erwarten: Die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zur Euro-Krise ist im Parlament zur parteipolitischen Auseinandersetzung geworden. Deutschland spricht in Sachen Euro nicht mit einer Sprache, weil die Opposition einer fatalen Fehleinschätzung erliegt: Gemeinsame Anleihen, die die Kanzlerin ablehnt, wären kein Zeichen von europäischer Solidarität, wie es SPD und Grüne vermitteln wollen. Sie würden vielmehr die von den Sündern heraufbeschworenen Risiken in Europa sozialisieren und den mehr...

  • Rheinische Post: Rütteln am Streikverbot Düsseldorf (ots) - Das gestrige Urteil zum Streikverbot für Beamte ist ebenso aufsehenerregend wie problematisch. Wenn beamtete Lehrer künftig in Streik treten, brauchen sie keine disziplinarischen Maßnahmen mehr zu befürchten - jedenfalls nicht, wenn es nach dem Verwaltungsgericht Düsseldorf geht. Beamte haben eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Staat, der sie dafür mit Privilegien ausstattet. Ein alles in allem ordentliches Gehalt gehört ebenso dazu wie die Unkündbarkeit. Im Gegenzug muss der Staat verlangen, dass er sich mehr...

  • Weser-Kurier: Der Bremer Weser-Kurier schreibt über Angela Merkels Regierungserklärung zum Euro: Bremen (ots) - Die Folgen der jetzt nötigen Entscheidungen sind schwer kalkulierbar. So könnte sich etwa ein harter Kurs gegenüber kriselnden Ländern, der bei der deutschen Bevölkerung sicher gut ankommt, am Ende als Bumerang erweisen. Denn das Prinzip ist ähnlich wie bei der Bankenkrise: Mit - zugegeben teuren - Hilfen lässt sich unter Umständen ein noch viel teurerer Crash verhindern. Die Frage ist nur, wie lange sich das durchhalten lässt. Um die Antwort drückt sich die Politik, denn die Hilfe für die schwächelnden Staaten mehr...

  • Rheinische Post: Lustloser Rüttgers Düsseldorf (ots) - Man kann es nachvollziehen, dass der abgewählte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) nicht bei jeder Sitzung des Landtags auf den harten Oppositionsbänken Platz nehmen will. Schon gar nicht, wenn attraktive Alternativen winken - wie Vorlesungen vor motivierten Studenten an der Universität Bonn oder Vorträge bei der Konrad-Adenauer-Stiftung im milden Winterklima Roms. Dort zieht es einen früheren Spitzenpolitiker eher hin als zu einer Debatte über den Nachtragshaushalt. Den Wähler interessiert das weniger. Er mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht