Mittelbayerische Zeitung: Leutheusser-Scharrenberger warnt vor "Scherbenhaufen"
Geschrieben am 17-12-2010 |
Regensburg (ots) - Im Interview mit der "Mittelbayerischen
Zeitung" (Regensburg/Samstag) warnt die Bundesjustizministerin und
bayerische FDP-Landeschefin vor Schäden durch die Debatte um den
Bundesvositzenden der FDP, Guido Westerwelle.
Frau Leutheusser-Schnarrenberger, 2011 stehen wichtige
Landtagswahlen an. Ist die FDP für diese Herausforderungen richtig
aufgestellt?
Leutheusser-Schnarrenberger: Es kann noch vieles besser werden, um
den Wählern in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz
die FDP als überzeugende Alternative zu präsentieren - vor allem,
indem wir uns als inhaltlich spannende Partei präsentieren und nicht
als zerstrittener Haufen.
Was muss denn besser werden?
Wir müssen deutlich machen, wo wir Prioritäten setzen. In diesem
Jahr haben wir natürlich nicht alles erreicht, was wir wollten. Eine
umfassende Steuersenkung geht in dieser Haushaltslage eben nicht. Der
Haushalt musste konsolidiert werden - und wir müssen klar sagen, dass
wir das wollten und wollen. Wir müssen aber auch dazu kommen, dass
wir als gesellschaftspolitische Kraft wieder Meinungsführerschaft in
vielen Themen erringen. Ich will, dass sich die FDP als inhaltlich
breit aufgestellte Kraft mit den Themen Bürgerrechte, Wirtschaft und
Bildung präsentiert - und das geschlossen. Wir müssen Avantgarde
sein, neue Themen aufgreifen neben der Tagespolitik. Das erwarten die
Wähler von uns.
Das heißt, die Partei war thematisch zu einseitig positioniert?
Die Bundestagsfraktion hat sich sehr breit positioniert, das haben
wir auch im Wahlkampf gemacht und das muss uns auch im Wahlkampf mit
den Kandidaten in den Ländern gelingen - mit Unterstützung der
Bundespartei. Für mich ist klar: Nur wenn die Landesverbände, die
Wahlkampf führen, und die Bundespartei im Gleichschritt marschieren,
dann haben wir am Ende eine Chance. Zu meinen, man könnte gegen die
Bundespartei eine Landtagswahl gewinnen, wird nicht funktionieren.
Ist das eine Kritik an die Landesverbände, die ihrerseits Kritik
an der FDP-Bundesspitze üben?
Nein. Ich bin voll auf Unterstützerkurs. Mein Terminkalender ist
voll mit Auftritten in den Länder-Wahlkämpfen. Aber ich bin lange
genug Wahlkämpferin um zu wissen, dass man nur gemeinsam gewinnen
kann. Alles andere erscheint dem Wähler am Ende als nicht akzeptabel.
Sie sagen, die Partei müsse sich breiter aufstellen. Nun nimmt man
die FDP aber zuvorderst als Steuersenkungspartei war - und das liegt
nach Meinung vieler vor allem an Parteichef Guido Westerwelle. Sehen
Sie das anders?
Wir sind keine Ein-Themen-Partei und wir sind nicht einseitig
ausgerichtet. Das Problem ist eher, dass große Erwartungen da waren.
Aber Regieren heißt nun einmal mit Realismus an die Themen zu gehen
und langfristige Strategien zu entwickeln. Hier liegt die Ursache,
warum viele enttäuscht sind. Außerdem ist noch nicht ausrecihend
erklärt worden, was wir schon schrittweise verändert haben, etwa,
dass wir bei den Pharmakonzernen sparen. Das war geboten und das hat
uns keiner zugetraut. Im Gegenteil, wir werden immer so dargestellt,
als würden wir immer nur bestimmte Lobbyinteressen vertreten. Das ist
aber nicht so und das müssen wir auch immer wieder klarstellen. Die
anderen werden nicht positiv über uns reden.
Bei all diesen Aufgaben, vor denen die Partei steht: Ist Herr
Westerwelle noch der richtige Mann dafür?
Herr Westerwelle hat die Partei zu dem guten Wahlergebnis von 2009
geführt. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung im Team. Ich bin
Teil dieses Teams und wir werden auch im Team gewinnen.
Das heißt, Westerwelles Zeit an der Parteispitze ist noch nicht
abgelaufen?
Ich halte von diesen öffentlich ausgetragenen Personaldebatten
nichts. Sie laufen Gefahr, sich zu verselbstständigen und einen
Scherbenhaufen anzurichten. Das muss beendet werden. Man kann sich
Gedanken über die Partei machen, aber die einseitigen,
ungerechtfertigten Vorwürfe an Herrn Westerwelle müssen aufhören.
Ist aber der Scherbenhaufen, von dem Sie sprechen, nicht schon
angerichtet?
Nein. Wenn wir uns auf die liberalen Inhalte konzentrieren,
gemeinsam inhaltlich zusammenstehen, dann können wir die Stimmung
wenden. Das gilt auch in der derzeitig schwierigen Situation, wo uns
der Wind ins Gesicht bläst.
Ist die Personalie Westerwelle nun ein Thema oder nicht?
Die derzeitige Personaldiskussion bringt uns als Partei überhaupt
nicht weiter.
Ihr Name fällt oft, wenn es darum geht, wer in der Partei für das
Amt der Vorsitzenden geeignet gilt. Stünden Sie bereit?
Ich sehe meinen Beitrag darin, als Bundesjustizministerin und
bayerische Landesvorsitzende gerade die Bürgerrechtsthemen
voranzutreiben. Das ist, was ich für die Partei leisten kann und was
die Partei von mit zu Recht erwartet.
Haben wir nach dem Drei-Königs-Treffen der Liberalen noch einen
Parteichef Guido Westerwelle?
Ich gehe davon aus, klar.
Originaltext: Mittelbayerische Zeitung
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Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion Politik/Nachrichten
Telefon: +49 941 / 207 6023
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