BERLINER MORGENPOST: Deutschland muss seine Werte exportieren
Dietrich Alexander hält die Idee, Entwicklungshilfe an Wohlverhalten zu koppeln, für absurd
Geschrieben am 03-01-2011 |
Berlin (ots) - Der britische Premierminister Winston Churchill hat
in seiner Rede am 11.November 1947 vor dem Londoner Unterhaus
ebenso kurz wie treffend über die in der heutigen freien Welt
bevorzugte Variante der staatlichen Herrschaft bemerkt: "Demokratie
ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den
anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."
Tatsächlich gewährt die Demokratie ihren Bürgern bei allen ihren
Unzulänglichkeiten ein Höchstmaß an individueller Entfaltung. Ägypten
ist keine Demokratie. Pakistan nicht, der Sudan nicht, China und
einige Dutzend andere Diktaturen und Autokratien auch nicht. In all
diesen Ländern - denn das liegt im Wesen totalitärer Regime - gewährt
die Machtelite auch keine umfassenden Bürgerrechte, zu denen
natürlich auch das Recht auf freie Religionsausübung zählt. Religiöse
Minderheiten werden dort verfolgt, zumindest an der Ausübung ihres
Glaubens gehindert. Mit vielen dieser Länder unterhält Deutschland
mehr oder weniger enge Beziehungen, wirtschaftliche, kulturelle,
politische. Zunächst, um seine Interessen in der Welt wahrzunehmen.
Aber auch, um seine Idee von einer offenen Zivilgesellschaft,
demokratische Denkmuster und zivilgesellschaftliche Reife zu
exportieren. Entwicklungshilfe ist ein ganz wesentliches
Instrument, um die Werte der freien Welt in geknechteten
Gesellschaften mit zerstörten Strukturen zu verankern.
Entwicklungshilfe an staatliches Wohlverhalten zu koppeln und sie für
solche Länder auszusetzen, in denen Christen ihre Religion nicht
ungehindert ausüben können, ist deshalb absurd. Es gelte: Wandel
durch Handel und Kontakt. Nicht Erhaltung des autokratischen Status
quo durch Isolation. Der populistische Vorstoß aus den Reihen der CSU
schießt über das Ziel hinaus und schadet jenen, die unsere
Anteilnahme, unsere aktive Beteiligung und unsere Hilfe benötigen:
Die weltweit rund 100 Millionen Christen, die als religiöse
Minderheiten um und für ihren Glauben kämpfen - auch und gerade in
Ägypten, wo die koptischen Christen ein Zehntel der Gesamtbevölkerung
ausmachen und eine gesellschaftliche Kraft darstellen. Zu ihnen muss
Deutschland die Verbindung halten - auch über die Entwicklungshilfe.
Sie pauschal einzustellen wäre kontraproduktiv. Es hieße,
Glaubensbrüder sich selbst zu überlassen. Es kann wohl
darüber nachgedacht werden, die Hilfe gezielter auf die Gruppen
zuzuschneiden, die man erreichen will. Oder wirtschaftliche
Zusammenarbeit zumindest zu einem Teil von guter Regierungsführung
abhängig zu machen. Es ist auch das Recht, ja die Pflicht deutscher
Politik, die Regierung in Kairo zu mahnen, ihre christlichen
Staatsbürger vor Übergriffen radikaler Fanatiker zu schützen. Denn
sie wollen einen Keil treiben zwischen Mehrheitsbevölkerung und
Minderheit, zwischen Muslime und Christen, die zumindest in
Ägypten bereits seit 2000 Jahren zusammenleben. Das grausame Kalkül
der Terroristen von Alexandria darf nicht aufgehen. Sie wollen den
Krieg der Religionen provozieren. Das kann auch Ägyptens Staatschef
Husni Mubarak nicht recht sein. Ihm zu helfen und ihn damit
einzubinden, auch das ist Sinn und Zweck von Entwicklungshilfe.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
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