Südwest Presse: Kommentar zur FDP
Geschrieben am 06-01-2011 |
Ulm (ots) - War was? Guido Westerwelle hat auf dem
Dreikönigstreffen in Stuttgart eine gute, kämpferische Rede gehalten.
Reden kann der FDP-Chef zweifellos. Alle spitzen Formulierungen hat
er sich verkniffen, die mit für sein schlechtes Ansehen bei den
Wählern gesorgt haben. Staatsmann statt Polarisierer. Dass ihm der
große Befreiungsschlag nach den Diskussionen der letzten Wochen
gelungen ist, ist zu bezweifeln. Unverhohlen wurde da über seinen
Rücktritt diskutiert. In der Öffentlichkeit eher in den hinteren
Reihen der Liberalen, in den Hinterzimmern auch in der Führungsetage.
Dass es nicht zur Revolution kam, lag nicht an der Frustration vieler
FDP-Politiker angesichts verheerender Umfragewerte. Die ist riesig.
Es fehlt vielmehr die personelle Alternative, von der sich alle einig
wären, dass sie die Partei nach vorn bringen könnte.
Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hat sehr viele Gegner.
Generalsekretär Christian Lindner, der heute 32 wird, ist ein
brillanter Kopf, aber noch sehr jung und unerfahren. Ähnliches gilt
für den neuen nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Daniel Bahr
oder für Philipp Rösler, der noch dazu als Gesundheitsminister ein
Amt hat, in dem man sich nur unbeliebt machen kann, weil es den
Mangel zu verwalten gilt. Interessant ist, worüber Westerwelle in
Stuttgart nicht sprach. Etwa über die Fehler im vergangenen Jahr, die
zum dramatischen Absturz im Ansehen der Wähler geführt haben. Über
die der Partei insgesamt ebensowenig wie über seine eigenen. Da hatte
er auf dem letzten Bundesparteitag im April 2010 noch eher das
Büßerhemd an, auf Drängen seiner Umgebung und weniger aus eigener
Einsicht. Es hat wenig gefruchtet. Der FDP ist es nicht gelungen,
ihre Erfolge im "Herbst der Entscheidungen" herauszustreichen, ob
beim Aussetzen der Wehrpflicht oder beim Verhindern schärferer
Überwachungsgesetze. Dafür redet sie penetrant über Steuersenkungen,
obwohl die allermeisten Bürger sie für unrealistisch halten. Die
Diagnose klingt erstaunlich: Nach elf Jahren Opposition hatten die
Liberalen das Regieren verlernt. Westerwelle, in der Oppositionszeit
zwangsläufig die Personifizierung seiner Partei, schaffte den
Rollenwechsel nicht. In der Regierung wurde er nicht der populäre
Außenminister, was er sich sehnlichst gewünscht hatte. Er steht sich
zu sehr selbst im Weg. Er ist kein Sympathieträger. Das liegt an
seinem Auftreten, seinen Ausdrücken, der Künstlichkeit seiner Person,
dem Mangel an Selbstzweifeln, die auch gestern nicht sein Thema
waren. Das alles wird sich nicht ändern, weil sich Westerwelle nicht
ändern kann. Dafür wird er auch weiterhin häufig in der Innenpolitik
fehlen, weil er als Außenminister durch die Welt reist. Trotzdem
dürfte der parteiinterne Streit erst einmal abebben: Alle wissen,
dass die Landtagswahl in Baden-Württemberg am 27. März das
entscheidende Datum ist. Ein Dauerstreit würde die Chancen der
Liberalen minimieren. Ob sich der Parteichef danach halten kann und
ob es ein Bauernopfer an einer anderen Stelle gibt, etwa bei
Fraktionschefin Birgit Homburger, bleibt vorerst offen. Die
Geschichte der FDP ist ein permanenter Überlebenskampf. Dabei müsste
die Idee höchst populär sein, die Freiheit des Einzelnen groß zu
schreiben und den Staat nur als seinen Diener zu betrachten. Es sind
die Bürger, die über Einschränkungen ihrer Freiheit durch den Staat
entscheiden müssen, und nicht umgekehrt. Auch Westerwelles Diagnose
ist richtig, dass es bei den nächsten Wahlen um die Frage einer
linken oder einer bürgerlichen Mehrheit geht. Allerdings wählen die
Bürger nicht nur hehre Parteiprogramme, sondern auch und insbesondere
Köpfe. Wenn die nicht ankommen, hilft die beste Idee nichts.
Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218
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