Westdeutsche Zeitung: Soziale Netzwerke und ihre Rolle beim arabischen Aufstand =
von Martin Vogler
Geschrieben am 01-02-2011 |
Düsseldorf (ots) - Erst Tunesien, jetzt Ägypten. Wenn im
arabischen Raum autoritäre Regime straucheln, ist rasch von der
Facebook-Revolution die Rede. Denn moderne Kommunikationsmittel
spielen dort eine so gewaltige Rolle wie nie zuvor. Das gilt vor
allem für soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook, die die
Menschen in diesen Ländern emsig vor allem mit Mobilgeräten nutzen.
Ihr Reiz liegt darin, dass innerhalb weniger Minuten - dank eines
Schneeballsystems - Millionen von Menschen mit Texten, Fotos und
Videos versorgt werden können. Wer, unter Umgehung der Zensur,
Missstände anprangern und zu Protestkundgebungen aufrufen will, kommt
damit bestens zurecht. Wie wirksam, beziehungsweise je nach Warte
bedrohlich, diese Kommunikationswege sind, bewies das Regime in
Ägypten, indem es sogar das Internet lahm legte. Doch der erwünschte
Effekt stellte sich nur zum Teil ein - im Gegenteil schadete die
Sperre der ägyptischen Wirtschaft, die keine Geschäfte mehr
abschließen konnte. Die Protestbewegung hingegen fand rasch
Umgehungsmöglichkeiten. Und vor allem zeigte sich, dass diese Technik
zwar sehr nützlich für Volksbewegungen ist, aber nicht existenziell:
Die normale Mundpropaganda funktionierte meistens, ähnlich wie
Rundfunk, Zeitungen oder Handzettel. Von einer Facebook-Revolution zu
fabulieren, wäre übertrieben. Das gilt auch für Tunesien: Dort lösten
nicht die sozialen Netzwerke den Aufstand aus, sondern ein
26-jähriger Straßenverkäufer, der sich nach Behörden-Schikanen selbst
verbrannte. Erst als daraufhin Menschen auf den Straßen
protestierten, kam das Internet ins Spiel: Es sorgte dafür, dass der
Rest der Welt praktisch zeitgleich an den Geschehnissen teilnehmen -
und darauf reagieren konnte. Insofern können durchaus die sozialen
Netzwerke dafür sorgen, dass in weiteren arabischen Ländern
Protestbewegungen erstarken. Sie befördern Entwicklungen, ursächlich
sind sie nicht. Das Internet hat allerdings auch eine gravierende
Kehrseite für Menschen, die totalitäre Systeme durch eine Demokratie
ablösen wollen: Die alten Herrscher können die Netzwerke ebenfalls
nutzen. So soll die tunesische Regierung Benutzerprofile erfolgreich
gehackt haben, um Dissidenten zu identifizieren.
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Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
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