BERLINER MORGENPOST: Berlins schönster Ausnahmezustand - Leitartikel
Geschrieben am 09-02-2011 |
Berlin (ots) - Wir glaubten einmal, die Berlinale sei ein
Filmfestival. Wir haben uns geirrt. Zumindest seit Dieter Kosslick
die Direktion übernommen hat. Die 61.Filmfestspiele, die
heute Abend eröffnet werden, sind bereits die zehnten unter seiner
Ägide. Und wie ist der Apparat ausgewachsen in der Ära Kosslick. Es
geht längst nicht mehr nur darum, passiv Filme im Kino (und Stars am
Teppich) zu schauen. Kosslick hat das Festival ausgeweitet. Er hat es
mit dem Talent Campus auch zum Workshop für Filmnachwuchs gemacht;
hat es auch für völlig filmfremde Metiers geöffnet: mit dem Forum
Expanded wird die ganze kreative Kunstszene der Stadt miteingebunden,
und mit dem Kulinarischen Kino werden plötzlich auch Star-Köche
filmaffin. Zugleich ist das Festival weit über sein angestammtes
Areal, den Potsdamer Platz, expandiert, bis tief in den Osten ist es
ausgewachsen und drängt seit Neustem auch noch in die Kieze. Gern
wird in diesem Zusammenhang vom "Kraken Berlinale" gesprochen, der
geografisch wie thematisch seine Tentakeln weit ausstreckt. Die
Berlinale, so haben wir gelernt, ist nicht nur ein Film-, sie ist ein
Stadtfestival. Aber auch hier haben wir zu kurz gedacht. Die
Berlinale ist ein Lebensgefühl. Wir wollen nicht so weit gehen, wie
beim Karneval von einer "fünften Jahreszeit" zu sprechen. Aber
irgendwie ist doch für die kommenden zehn Tage wieder ein
Ausnahmezustand ausgerufen, in dem die unterschiedlichsten Bewohner
und Gäste der Stadt von einem Fieber angesteckt werden, von dem sie
meinen, dass es dasselbe sei. Nun mag der Infekt nicht bei allen
gleich wirken, aber tatsächlich gehen hier komplette
Parallelfestivals vonstatten. Weil bei der gigantischen Größe und der
unübersichtlichen Bandbreite des Programms jeder einen buchstäblich
anderen Film erlebt. Es gibt die Zaungäste, die nur mal den Rummel
auf dem roten Teppich erleben wollen. Es gibt die Filmfreaks, die die
abwegigsten Titel aus den entlegensten Filmregionen entdecken wollen.
Verleiher, die auf dem Filmmarkt ganz andere Filme gucken und kaufen.
Und natürlich auch die Stars, die von einer Party zur nächsten hasten
und nie dazu kommen, ins Kino zu gehen, weil man "networken" muss. Es
gibt aber auch immer mehr Kneipen, Läden und Partyveranstalter, die
zu eigenen Berlinale-Events aufrufen, einfach weil Festival ist und
man auch was bieten will. Von der riesigen Cinema-for-Peace-Gala bis
hin zu kleinsten Eckkneipaktionen. Die Berlinale, ein Lebensgefühl.
Das Festival hat dafür sogar ein markantes Sinnbild gefunden. Das
diesjährige Plakat ziert ein einziger Buchstabe, ein großes, von
Lichtstrahlen umkränztes B, das einem an allen Ecken begegnet.
Vergessen sei die Werbekampagne "be Berlin" (die mancher krampfig
fand). B steht für alles, für Berlin, für die Berlinale - und das
Lebensgefühl, das uns alle überkommt in den kommenden zehn Tagen. Und
die wenigen, die doch ihren Geschäften nachgehen und nicht von dem
Infekt angesteckt sein sollten, wollen wir bitten, nachsichtig zu
sein mit all jenen, die da rund um den Potsdamer Platz, aber auch in
den Kiezen vielleicht in einer anderen Sphäre schweben. Es ist eben
der schönste Ausnahmezustand, den diese Stadt zu bieten hat.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
314973
weitere Artikel:
- Neue OZ: Kommentar zu Kunst / Auktion / Picasso Osnabrück (ots) - Garantin für Rekorde
Sie war nur eine von Picassos vielen Frauen und endete tragisch im
Freitod: Marie-Thérèse Walter. Um Picassos Gunst musste sie sich mit
Dora Maar streiten. Wenigstens in wichtigen Bildern hat sich der
Mann, der als Maler wie als Liebhaber von epochalem Format war,
Marie-Thérès Walter ganz ausschließlich gewidmet. Das Gemälde von der
schlafenden Geliebten wirkt fast bürgerlich beruhigt - gemessen an
der Turbulenz der Amour fou, die Picasso mit der sehr viel jüngeren
Frau verband. Seit einigen mehr...
- Violinkonzerte 1939 / Auftakt zur Konzertreihe mit dem amerikanischen Geiger Gil Shaham und Marek Janowski Berlin (ots) - Der amerikanische Geiger Gil Shaham eröffnet am 18.
Februar 2011 im Konzerthaus Berlin die Reihe der "Violinkonzerte
1939" mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von
Marek Janowski. Rein englisch ist das Programm des ersten Teils des
Konzertzyklus, der mit dem Violinkonzert des britischen Komponisten
William Walton beginnt.
Am Rande des Zweiten Weltkrieges brachten die 1930er Jahre einen
erstaunlichen Violinkonzertboom hervor. Der Amerikaner Samuel Barber,
der Ungar Béla Bartók und der Engländer mehr...
- Ostsee-Zeitung: Kommentar zur Berlinale Rostock (ots) - Sieht man von einzelnen Spitzenprodukten ab, so
ist der deutsche Film langsam, aber sicher zur
Minderheitenveranstaltung geworden. Der Tod des Übervaters Bernd
Eichinger im Januar wird diese Tendenz mit Sicherheit noch
verstärken. Er stand wie kein anderer deutscher Produzent für die
Versöhnung von anspruchsvollen Inhalten mit marktgängigen
Erzählweisen. Die deutschen Regisseure müssen ja nicht den schnell
produzierenden US-amerikanischen Kollegen nacheifern und nur leicht
Konsumierbares auf die Leinwände bringen. mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Berlinale Bielefeld (ots) - Die Berlinale ist hochpolitisch, und »politisch«
ist ja ein Synonym für »öde« und »spaßfrei«. Sie hat ein dünnes
Programm: nur 16 Filme. Sie lockt kaum einen Star an: Madonna kommt
für einen Drei-Minuten-Trailer, dann verschwindet sie in den
Privatclub »Soho House«. Damit wären die Berliner Filmfestspiele, die
gestern begonnen haben, abgehakt, und wir können, wie jedes Jahr im
Februar, unseren Klagegesang über den Tod des Films anstimmen. Doris
Dörrie singt uns vor: Deutsche Filmstudenten glauben, man könne in
der mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Film / Berlinale Osnabrück (ots) - Ein guter Auftakt
Was sagt der Auftakt über das Festival? Zuletzt gab Festival-Chef
Dieter Kosslick gegenläufige Signale. Scorseses Film über die Rolling
Stones brachte Star-Appeal - und unterstrich die Verpflichtung
gegenüber dem Dokumentarischen. Tykwers "International" proklamierte
Anspruch auf Weltgeltung - eine Geste in Richtung Markt. 2010
schilderte der chinesische Film "Tuan Yuan" die Spuren der Geschichte
im Familienleben. Ein Hinweis auf die politische Relevanz des
Festivals? Die Tischszenen ließen mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Alles rund um die Kultur
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
Pinocchio erreicht Gold in Deutschland mit Top-3-Hit "Klick Klack" - "Mein Album!" erscheint am heutigen Tag - Neue Single "Pinocchio in Moskau (Kalinka)" folgt am 17. März
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|