Mittelbayerische Zeitung: Merkels Sellenmassage
Kommentar zum Visegrad-Gipfel
Geschrieben am 15-02-2011 |
Regensburg (ots) - Visegrad-Jubiläumsgipfel - das klingt vor allem
staatstragend. Hat Bundeskanzlerin Angela Merkel wirklich nichts
Besseres zu tun, als zu einem solchen Polit-Schaulaufen zu reisen? Ja
und nein. Vor 20 Jahren hatte die Idee eines engen Zusammenschlusses
im östlichen Mitteleuropa einigen Charme und auch politischen Sinn.
Es ging um die Annäherung der postkommunistischen Demokratien an die
westliche Staatengemeinschaft, an die Nato und die damalige EG. Doch
all das hat sich längst erledigt. Nichts spricht dagegen, dass sich
Ungarn, Polen, Tschechen und Slowaken politisch verständigen und
wirtschaftlich kooperieren. Aber als Projekt hat Visegrad ausgedient.
Die 20-Jahr-Feier wäre eine ideale Gelegenheit gewesen, den
überfälligen Schlussstrich zu ziehen. Es nützt niemandem, wenn
Gipfel-Sonntagsredner von einem mitteleuropäischen Motor für die EU
schwadronieren und die Brückenfunktion in den Osten beschwören.
Entscheidend ist die politische Substanz, und die fehlt dem
Vierer-Format. Merkel weiß das selbstverständlich. Trotzdem ist sie
aus gutem Grund nach Bratislava gefahren. Es war immer eine Stärke
deutscher Außenpolitik, die kleineren EU-Partner in die eigenen
Europa-Strategien einzubinden. Derzeit ist das wichtiger denn je, vor
allem im Ringen um die Zukunft der Währungsunion. Die Euro-Krise ist
längst nicht überstanden. Und wenn Merkel und der französische
Präsident Nicolas Sarkozy sich in der 27er-Gemeinschaft mit ihrem
Konzept für eine europäische Wirtschaftsregierung durchsetzen wollen,
dann ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. In einer
Harmonisierung der Steuer- und Sozialsysteme sehen die jungen
EU-Staaten im Osten alles andere als einen Wettbewerbspakt. Die
Slowaken wollen sich nicht die Möglichkeit nehmen lassen, mit
niedrigen Steuern Investoren anzulocken. Die anderen drei
Visegrad-Länder, die nicht Mitglieder der Euro-Zone sind, fürchten
zudem ein Szenario, bei dem sie wirtschaftspolitisch liefern sollen,
finanzpolitisch aber nicht mitreden dürfen. Will Merkel diese
durchaus berechtigten Ängste mindern, kann ein wenig Seelenmassage
bei einem überflüssigen Gipfel nicht schaden.
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Mittelbayerische Zeitung
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