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Börsen-Zeitung: Gespaltene Welt, Kommentar zur Zukunft der Atomenergie von Claus Döring

Geschrieben am 14-03-2011

Frankfurt (ots) - Die Bilder von den Explosionen im Atomkraftwerk
Fukushima werden sich in die Erinnerung der Menschen brennen wie der
vor 25 Jahren in Flammen stehende Reaktor im russischen Atomkraftwerk
Tschernobyl oder die Kernschmelze im amerikanischen Atommeiler Three
Miles Island nahe Harrisburg vor 32 Jahren. Bilder, die Emotionen
freisetzen und die energiepolitische Debatte auf Jahre prägen werden,
zumindest hierzulande. Und Bilder, die Sachargumente und Fakten in
den Hintergrund treten lassen.

Denn Fakt ist, dass die deutschen Atomkraftwerke (AKW) seit
Freitag kein bisschen unsicherer geworden sind als vorher. Die
theoretische Wahrscheinlichkeit eines GAU, des größten anzunehmenden
Unfalls, ist nicht gestiegen. Sie wird im Gegenteil als Folge von
Fukushima rein rechnerisch eher sinken, wenn abermalige Überprüfungen
der Sicherheitskonzepte der deutschen AKW das Restrisiko weiter
minimieren. Aber richtig ist auch, dass die gefühlte Gefährdung für
viele Menschen gestiegen ist und sich damit die Rahmenbedingungen für
den Einsatz dieser Technologie verändert haben, zumindest in
Deutschland.

Sankt-Florians-Prinzip

Diese Ängste sind von der Politik ernst zu nehmen, nicht nur in
Wahlzeiten. Aber als Grundlage für politische Entscheidungen reichen
sie nicht. Da müssen die Fakten bedacht werden. Die in Deutschland
und Europa bestehenden Kernkraftwerke sind sicher zu betreiben,
soweit auf dieser Welt überhaupt etwas als sicher bezeichnet werden
kann. Wenn dem nicht so wäre, müsste nicht nur die amtierende
Bundesregierung die Atommeiler umgehend stilllegen lassen, sondern
schon Vorgängerregierungen mit den damaligen Umweltministern Jürgen
Trittin und Sigmar Gabriel hätten dies veranlassen müssen. Fakt ist
auch, dass die atomare Bedrohung nicht an Staatengrenzen endet und
deshalb eine rein nationale Atompolitik nicht weiterführt, sofern sie
der Sache und nicht dem Sankt-Florians-Prinzip dienen soll.

Kernenergie gilt in Deutschland als Brückentechnologie. Man will
aus ihr aussteigen, sobald sie technisch und wirtschaftlich
vertretbar durch regenerative Energieerzeugung ersetzt werden kann.
Der politische Streit in Deutschland dreht sich um das
Ausstiegstempo, Stichwort Laufzeitverlängerung, nicht um das Ob. Und
Grundlage des Konsenses zum Ausstieg ist nicht das Risiko beim
Betrieb von Atomkraftwerken, das jetzt im Vordergrund der Debatte
steht, sondern die ungelöste Frage der Endlagerung von Atommüll.
Daran ändert auch die opportunistische Rücknahme der
Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke in Biblis und
Neckarwestheim durch die Bundesregierung nichts. Der Grundsatz, dass
die Sicherheit eines AKW nicht abhängig ist von Alter und Laufzeit,
wurde jetzt wahltaktischen Überlegungen geopfert.

China unbeeindruckt

Ganz anders stellt sich die Lage in den anderen großen Industrie-
und Schwellenländern dar. Selbst reife Volkswirtschaften wie die USA,
Frankreich, England oder Italien setzen aus ökonomischen und
ökologischen Gründen immer noch oder schon wieder auf Kernkraft oder
sind - wie die Schweden - Jahrzehnte nach dem Ausstieg sogar wieder
eingestiegen. Weltweit sind derzeit 65 Atomkraftwerke im Bau,
darunter 27 in China und 11 in Russland. Der chinesische
Volkskongress hat erst gestern, völlig unbeeindruckt von der
japanischen Atomkatastrophe, seine Politik zum Ausbau der Kernenergie
bekräftigt. China als größter Energieverbraucher der Welt will seine
installierte Kapazität bis zum Jahr 2020 verachtfachen, über die im
Bau befindlichen Reaktoren hinaus sind 50 weitere fest geplant. Wo
jährlich Tausende Arbeiter bei Unglücken in Kohlebergwerken ums Leben
kommen, wo in Ballungsräumen die Luftverschmutzung durch fossile
Kraftwerke zur Gesundheitsgefährdung geworden ist, in einem solchen
Land werden die atomaren Gefahren anders bewertet.

Ende des Atomzeitalters?

Im Zielkonflikt zwischen Vermeidung einer Klimakatastrophe und
Minimierung des atomaren Restrisikos haben sich China und andere
Schwellenländer längst entschieden. Denn die weltweite
Energienachfrage wird bis zum Jahr 2030 um 50% wachsen. Die
Kernschmelze in Fukushima als "Das Ende des Atomzeitalters" zu
betrachten, wie der Titel des Magazins "Spiegel" und der Tenor vieler
Kommentare in hiesigen Medien intendieren, reflektiert deutsche
Befindlichkeit und Wunschvorstellungen, nicht aber die Bedürfnisse
und Prioritäten im Rest der Welt. Weder wird am deutschen Wesen das
Weltklima genesen, noch taugt der Atomausstieg zum Exportschlager. In
Deutschland müssen jene, die bis vor wenigen Tagen beim Schlagwort
Elektromobilität glänzende Augen bekamen und die nun den
Sofortausstieg aus der Kernenergie fordern, die Frage nach der
Energie-Alternative beantworten und sagen, welchen Wohlstandsverlust
zu tragen sie bereit sind. Dabei geht es nicht nur um den
persönlichen Geldbeutel, sondern vor allem um Deutschlands
Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft als Industriestandort.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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