BERLINER MORGENPOST: Kate und William - eine Chance für die Windsors - Leitartikel
Geschrieben am 29-04-2011 |
Berlin (ots) - Der Kuss auf dem Balkon - sympathisch unbeholfen.
Dann noch einer, spontan. Höhepunkt der stilvollendeten und
tatsächlich in gewisser Weise bescheidenen Hochzeit von Kate und
Prinz William. Die Schleppe der Braut, so kurz, dass sie nicht einmal
die kleine Treppe zum Altar herunterreicht. Überhaupt ist das Kleid
zart und zurückgenommen, genauso wie der Brautstrauß. Der Ehering?
Ein schmales Band, mehr nicht. Dianas Schleppe im Jahr 1981 war
dreimal so lang, prunkende acht Meter, ihr Brautstrauß glich einem
blumigen Wasserfall, und sie, die Braut Diana, sah ein wenig verloren
aus in ihrem aufbauschenden Sahnebaiser-Kleid. Damals war alles Pomp.
Wie sich später herausstellte - falscher Pomp. Und heute? Das
Traugebet ist geprägt vom sozialen Gedanken. So hat es sich das
Brautpaar gewünscht. Statt Hochzeitsgeschenken spenden die Gäste für
einen guten Zweck. Das frische Grün in der Westminster Abbey, das
frühlingshafte Weiß der Blumen, alles passte. Ein spürbarer
Neubeginn. Man wünscht ihn der Familie Windsor. Denn die
zurückliegenden Jahrzehnte waren stürmisch, das Königshaus
schlingerte zwischen Seifenoper und Shakespeare. Kein Kind der Welt
sollte so viele intime Details über seine Eltern kennen, wie
Kronprinz William und sein Bruder Harry über die eigenen erfahren
mussten. Auch bei diversen Onkeln und Tanten hörten die Skandale
nicht auf. Und mehr als das alles erschüttert bis heute der Anblick
von William und Harry, wie sie gesenkten Hauptes hinter dem Sarg
ihrer Mutter durch London schritten. Das Schicksal hatte William, das
privilegierte Königskind, mit harter Hand angefasst. Dass er nun eine
Frau gefunden hat, die aus einer heilen, einer bürgerlichen Familie
stammt, scheint ein Glücksfall zu sein: eine Erdung, die zugleich
eine Heilung ist. Hoffentlich weiß Kate, worauf sie sich einlässt. In
den letzten Jahren sah man mehrere Neu-Prinzessinnen zerbrechen:
Letizia von Spanien wirkte auch auf dieser Hochzeit erschreckend
dünn, das Gesicht zur Maske erstarrt. Mette-Marit aus Norwegen fiel
nach der Trauung in ein depressives Loch. Masako, die Frau des
japanischen Thronfolgers, verstummte nach ihrer Heirat. Der interne
wie der öffentliche Druck auf diese Frauen muss unglaublich sein.
Denn die moderne Welt hat das zentrale Privileg der Könige zersetzt:
Über den profanen Dingen zu stehen, von ihnen unberührbar zu sein.
Der Hochadel soll heute um die Gunst der Masse buhlen wie jeder
Promi. Die letzten Könige treten an gegen die anderen Götter der
Moderne, vorneweg die Schauspieler, dicht gefolgt von Popstars und
Sportlern. Standen sie nicht gestern auf der königlichen Gästeliste,
die Beckhams und Elton Johns und Guy Ritchies dieser Welt? Und doch
scheidet eine feine, aber harte Linie sie alle von diesem Paar.
Könige und ihre Thronfolger sind immer im Dienst. Für das Volk, das
sie bezahlt und dafür erwartet, dass die steuerfinanzierten
Adelsidole ihm das perfekt vorleben, was ihm die Schauspieler- und
Popgötter versagen: Erhabenheit. Das Prinzenpaar hat das Zeug,
geliebt zu werden. Eines Tages werden sie wohl König und Königin von
England werden, natürlich erst nach Charles und Camilla. Hoffen wir,
dass sie sich bis dahin ihre Stilsicherheit und Bescheidenheit
bewahren. Für England wäre es ein Gewinn.
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BERLINER MORGENPOST
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