Westdeutsche Zeitung: Strauss-Kahn und die hemmungslosen Vorverurteilungen =
von Martin Vogler
Geschrieben am 18-05-2011 |
Düsseldorf (ots) - Wenn Mächtige abstürzen, löst das - vornehm
ausgedrückt - reges Interesse aus. Man kann auch Schadenfreude sagen,
nur gibt das niemand zu. Bei einem wie Strauss-Kahn, der Präsident
Frankreichs werden wollte, als Arbeiterführer einen fürstlichen
Lebensstil führte, eine attraktive und prominente Ehefrau hat und
gleichzeitig mit Frauenaffären Schlagzeilen machte, kommen viele
Besonderheiten hinzu, von denen jede für sich reichlich
Aufmerksamkeit erzeugen würde. Und jetzt der folgenreiche Vorwurf
einer versuchten Vergewaltigung: Dazu gehören abenteuerliche
Verteidigungsstrategien und Verschwörungstheorien. Ein angeblich
selbstmordgefährdeter Mann leidet in einem berüchtigten Gefängnis.
Gleichzeitig geht womöglich die Weltwirtschaft den Bach runter, weil
dem IWF der Kopf fehlt. Wenn das kein Stoff zum unendlichen
Spekulieren ist, was dann?
Bedenklich stimmt: Selbst wenn man davon ausgeht, dass
Strauss-Kahn schuldig ist, darf dennoch eine freiheitliche
Gesellschaft wie unsere eine solch kompromisslose Vorverurteilung
nicht zulassen. Egal wie das Verfahren letztlich endet: Nicht nur,
weil er die Nominierungsphase aus Termingründen verpasst, kann er
sich seine Präsidenten-Ambitionen abschminken. Er wird wohl auch im
Währungsfonds bald keine Rolle mehr spielen, politisch und
gesellschaftlich isoliert bleiben, selbst wenn es zu einem Freispruch
kommt.
Das US-Rechtssystem und die dortigen Gepflogenheiten haben ihren
Anteil an der Vorverurteilung. Eine wahre Bilderflut vom Abführen in
Handschellen und von der ersten Vernehmung prägen sich unlöschbar
ein. Dennoch fällt auf, wie extrem empfänglich Europa für diese
Signale ist. Und so viel korrekter gingen wir in Deutschland mit
Beschuldigten in den vergangenen Jahren ebenfalls nicht mehr um. Auch
die Durchsuchung der Villa von Postchef Zumwinkel war ein riesiges
Medienereignis - und bei Kachelmann funktionierte die Vorverurteilung
ebenfalls.
Klar ist: Wer Übles getan hat, gehört bestraft. Das sollte ein
ordentliches Gericht entscheiden. Unsere Gesellschaft scheint jedoch
hemmungslose Vorverurteilungen zunehmend normal zu finden. Wenn das
so bleibt, haben bald auch Unschuldige keine Chance mehr. Das wäre
bitter.
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Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
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