HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zur Börsenentwicklung
Geschrieben am 02-08-2011 |
Hamburg (ots) - Ein Kommentar von Olaf Preuß
Der Markt irrt nicht, heißt eines der vielen schönen Bonmots aus
der Wirtschaftswelt. Die riesige Zahl von Anlegern, so die Logik
dieser Weisheit, bilde mit ihren Entscheidungen insgesamt eine Art
Schwarmintelligenz, die jeder einzelnen Ratio überlegen sei. Leider
widerlegt der Alltag diese gern zitierte Überzeugung immer aufs Neue.
"Der Markt" kann furchtbar irren, denn er ist verführbar,
irritierbar, manipulierbar. Nicht nur spannende Hollywoodfilme wie
"Wall Street" mit Michael Douglas als Börsenhai Gordon Gecko haben
uns dies trefflich vor Augen geführt, sondern vor allem die Realität
selbst, zum Beispiel am 15. September 2008. Da brach die
US-Investmentbank Lehman Brothers zusammen. Das Ereignis führte die
Welt-Finanzwirtschaft an den Rand des Kollaps. Tragisch: Hatte die
Bank nicht jahrelang, wie so viele ihrer Konkurrenten, feinste
Geldanlagen offeriert, zum Beispiel am US-Immobilienmarkt?
Börsenaffine Menschen gründeln und grübeln derzeit, ob der deutsche
Leitindex Dax am Jahresende bei 8000 Punkten stehen werde - derzeit
sind es knapp unter 7000. Prognosen und Weissagungen darüber sind in
etwa so werthaltig wie die Aussage, wer wohl Herbstmeister in der
Fußball-Bundesliga werden wird. Es sind Wetten mit einem hohen
Unterhaltungs-, aber ohne jeden Informationswert. An den Börsen zeigt
sich die Erotik des Irrationalen tagtäglich wieder in Millionen von
Kaufentscheidungen: Anleger stoßen ihre Aktien kerngesunder
Industriekonzerne ab, nachdem diese glänzende Quartalszahlen
vorgelegt haben. Viel besser kann es wohl nicht werden, denkt der
Aktionär und folgt der Empfehlung des Bankberaters: verkaufen.
Wertpapiere undurchsichtiger Internetklitschen hingegen werden
gehalten. Denn vielleicht verbirgt sich ja gerade hier die
entscheidende Geschäftsidee des 21. Jahrhunderts. Millionen Anleger
haben solche Euphorie teuer bezahlt, als vor elf Jahren die
Börsenblase der "New Economy" platzte. Mit Anteilsscheinen der
Staatsunternehmen Telekom und Post wollte die Bundespolitik die
Deutschen in den 90er-Jahren zu "Volksaktionären" machen, zu
Miteignern stocksolider Konzerne, die Dienstleistungen für jedermann
vermarkten und damit eine sichere Bank darstellen. Solche Papiere
dümpeln heutzutage um ihren einstigen Ausgabekurs herum oder liegen
knapp darunter - wenn die Aktionäre Glück haben. Mehr denn je
erscheint das Treiben an den Börsen als Zockerei. Zum einen wegen der
teils wirren Moden in der Unternehmenswelt. Heißt es heute, ein
Logistikkonzern müsse "voll integriert" sein und über ein enges Netz
von Hamburg bis Hanoi verfügen, verlangt der Markt morgen möglichst
schlanke Strukturen und überschaubare Geschäftseinheiten. Fertigte
Daimler gestern von der AEG-Waschmaschine bis zur
Ariane-Weltraumrakete alles Mögliche, auch Automobile, verlassen
heute nur noch Premiumfahrzeuge mit dem Stern die Fabriken des
Stuttgarter Konzerns. Milliarden Euro oder Dollar an Werten
pulverisieren Manager jährlich auf der Suche nach dem rechten Weg.
Noch komplizierter wird die Lage dadurch, dass politische und
ökonomische Einflüsse auf die Märkte in der globalisierten Welt so
vielschichtig sind wie nie zuvor. Und dass sie, via Internet,
schneller sichtbar werden denn je. In diesem Sinne stimmt das Bild,
dass die Verläufe von Börsen eine Art Fieberkurve der Wirtschaft
darstellen. Der Dax und seine Pendants in anderen Staaten zeigen
heutzutage eine nervöse, verunsicherte und angeschlagene
Weltwirtschaft. Ändern ließe sich das wohl nur, wenn sich "die
Wirtschaft" darauf konzentrieren würde, wesentliche Bedürfnisse von
Menschen zu erfüllen anstelle immer neue zu kreieren. Wenn sie mehr
Werte schaffen würde anstelle von Wetten auf die Zukunft.
Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de meinung@abendblatt.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
345359
weitere Artikel:
- Südwest Presse: Ulm, KOMMENTAR zu· FLUGLOTSEN Ulm (ots) - Ulm, KOMMENTAR zu· FLUGLOTSEN
Ausgabe vom 03.08.2011 Mitten in der Ferienzeit klingt die
Streikdrohung der Fluglotsen unpassend. Wie eine Kampfansage an die
Urlauber, die Erholung in der Ferne suchen und denen jetzt auf dem
Hin- oder Rückweg Stress droht. Und doch ist der Streik ein legitimes
Recht von Gewerkschaften in einer Tarifauseinandersetzung. Den
"richtigen" oder "falschen" Zeitpunkt für einen Streik gibt es nie,
schon weil die Einschätzung von den persönlichen Interessen des
Einzelnen abhängt. Merkwürdig mehr...
- Börsen-Zeitung: Gar keine schlechte Leistung, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Halbjahresbilanz der Fondsbranche Frankfurt (ots) - Ein Nettomittelaufkommen von gut 11 Mrd. Euro in
einem halben Jahr ist für die erfolgsverwöhnte deutsche Fondsbranche
auf den ersten Blick eine Enttäuschung. Zumal wenn man die Gelder,
die von Januar bis Juni dieses Jahres bei institutionellen und
privaten Anlegern eingesammelt wurden, an den 41 Mrd. Euro aus der
gleichen Vorjahreszeit misst. Oder wenn man gar an den Rekordbetrag
von 123 Mrd. Euro denkt, der den Kapitalanlagegesellschaften im
gesamten Jahr 2000 zur Wahrung und (möglichst) Mehrung anvertraut
wurde. mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Arbeitszufriedenheit Bielefeld (ots) - Die Studie der Universität Duisburg-Essen
überrascht. Haben die Beschäftigten in Deutschland tatsächlich die
Lust an ihrer Arbeit verloren? Zweifel sind angebracht. Es gibt wohl
kaum ein Volk, das produktiver und effektiver ist. Nicht umsonst
genießt das deutsche Ingenieurswesen Weltruhm. Und nicht umsonst ist
gerade die deutsche Wirtschaft so kraftvoll aus der Rezession
herausgekommen wie kein anderes Land in Europa. Dass die Befragung im
Krisenjahr 2009 stattfand, schwächt zudem die Aussagekraft der
Statistik. mehr...
- Berufungsgericht entscheidet zugunsten von China Sunergy im Streit mit REC Wafer Nanjing, China (ots/PRNewswire) -
China Sunergy Co., Ltd. ("China Sunergy" oder "das
Unternehmen"), ein spezialisierter Solarzellen- und Modulhersteller
gab heute bekannt, dass das Berufungsgericht in Norwegen zugunsten
von China Sunergy im Streit mit REC Wafer Norway AS ("REC Wafer")
entschieden hat.
Nach einer Anhörung entschied das Berufungsgericht Halogaland am
30. Juni 2011 zugunsten von China Sunergy und stellte fest, dass REC
Wafer nie an dem Vertrag beteiligt war oder gewesen war. Daher
besteht die einstweilige Verfügung mehr...
- Intuity Medical schließt $76 Millionen Series D Finanzierung ab Sunnyvale, Kalifornien (ots/PRNewswire) -
Finanzierung der FDA Zulassung und Markteinführung von
POGO(TM) All-in-One, dem ersten und einzigen Komplettsystem zur
Glukoseüberwachung
Intuity Medical, Inc., ein privat geführtes Unternehmen für die
Entwicklung von innovativen Technologien im Bereich
Diabetes-Management, gab heute bekannt, dass es sich zusätzliche
Finanzmittel mit dem Abschluss einer zweiten Tranche der schon zuvor
angekündigten Series D Finanzierung durch Vorzugsaktien mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|