BERLINER MORGENPOST: Kommentar zu den Maßnahmen der Europäischen Zentralbank
Geschrieben am 08-08-2011 |
Berlin (ots) - Vergangene Woche noch wurde die Europäische
Zentralbank (EZB) verspottet. Jean-Claude Trichet hatte ankündigt,
nach einigen Wochen Pause würden die Währungshüter wieder
Staatanleihen Griechenlands und Portugals aufkaufen. Damit, stichelte
ein Analyst, handele der EZB-Präsident wie ein Feuerwehrchef, der bei
einem Großbrand seine Wagen rausschickt - allerdings an einen Ort, an
dem es gar nicht brennt. Da ist was dran. Griechenland und Portugal
werden bereits mit den Hilfsmilliarden ihrer Euro-Partner versorgt,
sie sind vom Kapitalmarkt, auf dem sie Schulden nur zu horrenden
Zinsen aufnehmen könnten, abgekoppelt. Die Sorge gilt derzeit
vielmehr Italien und Spanien. Diese beiden Länder sind nach wie vor
auf das Geld privater Gläubiger angewiesen; das aber bekommen sie nur
um den Preis deftiger Risikoaufschläge. Daher erscheint es auf den
ersten Blick nur konsequent, wenn die EZB nun doch italienische und
spanische Staatsanleihen kauft. Denn so steigt die Nachfrage nach
diesen Papieren und damit ihr Preis - was bedeutet, dass ihre
effektive Verzinsung sinkt. Der Druck der Märkte auf Italien und
Spanien wird so gelindert, die Regierungen dieser Länder bekommen
wieder Luft zum Atmen. Dies ist denn gestern auch passiert, die
Renditen italienischer und spanischer Anleihen sanken. Vertrauen in
die Stabilität der Euro-Zone aber hat die Aktion nicht geschaffen,
sonst wären die Kurse an den Aktienmärkten wohl kaum erneut derart
stark nach unten gerauscht wie am Montag. Dass etwas konsequent ist,
bedeutet ohnehin nicht, dass es auch richtig ist. Mit ihren neuen
Stützungskäufen überschreitet die EZB erneut einen Rubikon. Schon
dass die Zentralbanker überhaupt mit Anleihenkäufen in das
Marktgeschehen eingreifen, ist fragwürdig. Denn letztlich werden so
Staatsschulden mit der Notenpresse finanziert. Genau dafür aber sind
Zentralbanken nicht da, und genau deswegen hat man sie einst in die
Unabhängigkeit entlassen: Sie sollten sich um die Stabilität des
Geldwerts kümmern - und sich nicht von der Finanzpolitik
instrumentalisieren lassen. Bislang half die EZB Ländern mit
Stützungskäufen aus, die mit den Euro-Partnern schriftlich fixierte
und engmaschig überwachte Konsolidierungs- und Sparprogramme
vereinbart hatten - wie Portugal. Italien und Spanien dagegen kommen
nun auch ohne solche Programme in den Genuss der Zentralbank-Hilfe.
Die Regierungen beider Länder haben, mehr oder minder vage, "neue
Maßnahmen und Reformen auf den Gebieten der Finanz- und
Strukturpolitiken" angekündigt, wie Trichet in einer Stellungnahme am
späten Sonntagabend lobte - mehr aber auch nicht. Nun mag es in
Krisen zuweilen unumgänglich sein, mit Prinzipien zu brechen. Der
aktuelle Prinzipienbruch aber hätte nicht einmal in Erwägung gezogen
werden müssen, wenn die Regierungen Berlusconi und Zapatero in den
vergangenen zwölf Monaten beherzt auf die Ansteckungsgefahren
reagiert hätten, die von der Griechenland-Krise ausgingen.
Stattdessen werden diese Regierungen nun, da sie sich tatsächlich
angesteckt haben, von der EZB gepäppelt. Das Signal, das damit aus
Frankfurt an die Hauptstädte der Euro-Länder gesendet wird, ist ein
verheerendes.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
346209
weitere Artikel:
- Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Fluglotsen Regensburg (ots) - Der drohende Streik der Fluglotsen zeigt wieder
einmal, dass die Privatisierung nicht immer der Weisheit letzter
Schluss sein muss. Von 1953 bis Ende 1992 war die Bundesanstalt für
Flugsicherung als Behörde mit der hoheitlichen Regelung des
Luftverkehrs betraut, bevor die Deutsche Flugsicherung GmbH als
hundertprozentige Tochter des Bundes gegründet wurde. Und jetzt soll
auch dieses Unternehmen zu einem großen Teil verscherbelt werden,
angeblich um die notwendige Flexibilität und Kosteneffizienz am
europäischen mehr...
- WAZ: Nebeneinander von Alpha-Tieren. Kommentar von Thomas Wels Essen (ots) - Zum Schluss zählt das, was hinten herauskommt. Ob
die Weisheit von Altkanzler Kohl auf RWE zutrifft? Bei aller
Gesichtswahrung, die die Tandem-Lösung mit Peter Terium als Nummer
eins und Rolf Martin Schmitz als Nummer zwei mit sich bringt, hat es
herbe Verletzungen auf der Seite der Kapitaleigner gegeben. Im Sinne
des Unternehmens kann es aber nur heißen: Mund abputzen und
weitermachen.
Das wird schwer genug: Zehn Monate nebeneinander stehen nun den
Alpha-Tieren Großmann und Terium bevor. Und dann ist da auch noch mehr...
- WAZ: Mit Schulden ist nichts zu retten. Leitartikel von Thomas Wels Essen (ots) - Nun ist es plötzlich wieder da, das Gespenst einer
Weltwirtschaftskrise. Dabei war es nie wirklich weg.
Wie sollte es auch? Schließlich hat sich an der Schuldenkrise seit
dem Zusammenbruch der Lehman-Bank nichts geändert. Im Gegenteil: Die
Wahrheit ist, dass die Vereinigten Staaten wie auch die Europäer die
Schuldenkrise mit neuen Schulden bekämpft haben. Zugegeben: Eine
bessere Idee gab es auch unter den Ökonomen nicht, als den
schlimmsten Wirtschaftseinbruch nach dem Zweiten Weltkrieg mit
schuldenfinanzierten mehr...
- WAZ: Ein Arbeitskampf bleibt Kampf. Kommentar von Kai Wiedermann Essen (ots) - Wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften um Geld oder
bessere Arbeitsbedingungen ringen, ist das nichts für
Harmonie-Süchtige. Bei einem Arbeitskampf kracht es schon mal.
Besonders sauer reagiert ein Teil der Öffentlichkeit immer dann,
wenn Streiks Busse, Bahnen oder Kindergärten lahmlegen, oder - wie im
Fall der Fluglotsen - wohlverdiente Urlaube bedroht sind. Dann steht
schnell die Frage im Raum: Darf die das, die Gewerkschaft?
Dass die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) nicht alles darf,
hat in der vergangenen mehr...
- NRZ: Ein guter Kompromiss / Die neue RWE-Führung steht - doch es bleibt spannend. Essen (ots) - Schaut man dieser Tage auf RWE, reibt man sich die
Augen: Der Versorger steckt angesichts des Atomausstiegs in einer
bedrohlichen Krise, erwartet einen Gewinneinbruch um 20 Prozent - und
erlaubt sich eine Debatte ums Spitzenpersonal. Turbulente Zeiten, in
denen man, so empfahl es einst Abraham Lincoln, besser nicht die
Pferde wechselt.
Andererseits sind turbulente Chef-Wechsel bei RWE nichts Neues.
Verglichen mit dem Hickhack 2007 um den Übergang von Harry Roels zu
Jürgen Großmann erscheint das jüngste Gezerre mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|