HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zu Nahost und Israel
Geschrieben am 19-08-2011 |
Hamburg (ots) - Ein Kommentar von Thomas Frankenfeld
Könnten Sie sich vorstellen, in einer Stadt zu leben, in der fast
jeden Tag irgendwo ein tödlicher Hagel aus Raketen niedergeht? In der
jede Bushaltestelle zum Bunker ausgebaut ist, da die Vorwarnzeit bis
zum Einschlag oft nur 15 Sekunden beträgt? In der Schulen bevorzugte
Raketenziele darstellen und Sie nie wissen, ob Sie ihr Kind am
Nachmittag wiedersehen? Nun, Zehntausende Israelis leben in solchen
Städten. Unter Verdrängung einer lähmenden Todesangst, die
unterschwellig die Seele auffrisst. Rund 400 Raketenangriffe hat
Israels Süden allein seit Jahresbeginn ertragen müssen. Die jüngste
Serie stellt zusammen mit den vier Terroranschlägen am Donnerstag,
denen acht Israelis, darunter Kinder, zum Opfer fielen, eine neue
Eskalationsstufe im nahöstlichen Dauerdrama dar. Es ist kein Zufall,
dass diese Verschärfung der Lage zeitlich mit der vor sich hin
schwelenden Revolution in Ägypten korreliert. Der gestürzte Pharao
Mubarak war fraglos ein Despot, zugleich aber ein verlässlicher
Friedenspartner Israels. Seine Nachfolger sind es nicht. Der "Kairoer
Frühling" mit neuen, noch israelfeindlicheren Akteuren stellt die
ganze Sicherheitsarchitektur der Region infrage. Der jüdische Staat
steht vor der Herausforderung, ein völlig neues strategisches Konzept
erarbeiten zu müssen. Und dies wird ausgerechnet in einer Zeit
notwendig, in der die Solidarität der Israelis mit ihrer Führung
erstmals einer starken Belastung ausgesetzt ist. Die Grenzkontrollen
der Ägypter zum Gazastreifen, wo die radikalislamische Hamas
herrscht, sind mittlerweile derart nachlässig, dass Terroristen dort
nun nicht mehr nur selbst gebasteltes Schießzeug wie die berüchtigte
"Kassam"-Rakete einsetzen, sondern problemlos sogar veritable
Kurzstreckenraketen vom russischen Typ "Grad" einschmuggeln können.
Damit geraten weitere 120?000 israelische Bürger in die Reichweite
ihrer erbittertsten Feinde. Das kleine Land, das von einem Jet in
wenigen Minuten überflogen werden kann, muss sich gegen diese neue
Bedrohung zur Wehr setzen. Doch Israel, das sich schon hinter
Schutzmauern und den Raketenabwehrschirm "Eiserne Kuppel" ducken
muss, erlebt zähneknirschend, dass sich die Welt stets nur dann
empört, wenn es zurückschlägt. Von der Eskalation profitieren die
Hardliner beider Seiten. Israels Premier Benjamin Netanjahu zum
Beispiel, der nicht im Verdacht steht, allzu bereitwillig mit den
Palästinensern Frieden schließen zu wollen. Die Terrorwelle schweißt
sein entsetztes Volk zusammen und nimmt kurzfristig den größten
sozialpolitischen Druck von seiner Regierung. Dass israelische
Spezialeinheiten die Mörder liquidieren, ist nachvollziehbar. Doch
der alte Reflex, danach noch Luftangriffe im Gazastreifen fliegen zu
lassen, wobei immer wieder auch palästinensische Zivilisten ums Leben
kommen, ist ebenso töricht wie sinnlos, weil er nur noch mehr Hass
sät, aber die Terroristen keineswegs beeindruckt. Dann die Hamas, die
nie von ihrem erklärten Ziel abgewichen ist, den Staat Israel zu
vernichten, und die den vergleichsweise liberalen
Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas entmachten will. Und andere,
womöglich noch radikalere Terrorgruppen, die sich nun in Ägypten, der
Heimat der Muslimbruderschaft, ungehindert formieren können.
Schließlich die Gegner Israels in der neuen Kairoer Führungsebene.
Ägypten gerät allmählich in den Verdacht, Israels Todfeinden
zumindest passive Unterstützung zu gewähren. Die arabische Revolution
von Tunesien bis Bahrain hatte viele Hoffnungen geweckt, dass sie,
ähnlich wie die Tyrannendämmerung in Europa um 1990, zu Frieden und
mehr Demokratie führen würde. Stattdessen wird sie zunehmend zu einer
Bedrohung für die einzige echte Demokratie der ganzen Region: Israel.
Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de meinung@abendblatt.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
348020
weitere Artikel:
- tz München: Deutschlands heimliche Kriegshilfe: Halbscharig an die Front München (ots) - Es ist nur fünf Monate her, da versuchten die
deutsche Kanzlerin und ihr damaliger Außenminister so etwas wie eine
klare Haltung zu vertreten: Nein, Deutschland werde sich an einem
Kampfeinsatz gegen das libysche Regime nicht beteiligen, schielten
Angela Merkel und Guido Westerwelle auf die damals entsprechenden
Umfrageergebnisse bei den Bürgern. Egal, wie man zu einer
militärischen Beteiligung gegen Gaddafi steht: Jetzt ist klar, dass
die Regierung allenfalls ihre Halbscharigkeit unter Beweis gestellt
hat. Auch mehr...
- Südwest Presse: Kommentar zum Libyen-Krieg Ulm (ots) - Alles ganz normal. Die Leichtigkeit, in der
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) versucht, die Debatte
über den Einsatz deutscher Soldaten in Nato-Stäben vom Tisch zu
wischen, muss erbosen - nicht nur den Grünen-Abgeordneten
Hans-Christian Ströbele. Denn de Maizière versucht, in bewährter
Manier darüber hinwegzugehen, wie tief Deutschland mittlerweile in
die Niederungen des Krieges hinabgestiegen ist - nicht nur in Libyen.
Jahrelang hatte die Bundesregierung versucht, den Krieg in
Afghanistan als mehr oder weniger mehr...
- WAZ: Lasst sie studieren! - Kommentar von Gregor Boldt Essen (ots) - In Deutschland möchten 44000 junge Menschen Medizin
studieren. Dem gegenüber stehen 8800 freie Studienplätze. Ein krasses
Missverhältnis. Dieses besteht auch, weil in den 80er-Jahren die
Kapazitäten an den Universitäten abgebaut wurden. Ein Grund dafür
damals: Der enorme Druck der Ärzte-Lobby. Etablierte Mediziner
fürchteten die Konkurrenz jüngerer Kollegen. Von Ärzteschwemme war
die Rede. Heute reden Verbände und Politiker vom Ärztemangel.
Insbesondere Praxen von Hausärzten und auf dem Land können bald nicht
mehr besetzt mehr...
- Mittelbayerische Zeitung: Zeit für die Opfer
Kommentar zu Norwegen Regensburg (ots) - Ihre ganze Stärke hat die norwegische
Gesellschaft in den vergangenen Wochen bewiesen. Bewundernd schaut
die Welt auf ein Land, das fast alles richtig macht: Konsequent
wenden sich die Norweger den Opfern zu - der Täter bleibt
weggesperrt, nur das Nötigste zur Aufklärung seiner Verbrechen
verlautet von ihm. Die Menschen rücken zusammen - in echter
Solidarität, und nicht im Hass auf einen gemeinsamen Feind wie zum
Beispiel die Amerikaner nach dem 11. September. Und sie lassen den
Überlebenden des Massakers und mehr...
- WAZ: Hilfspaketchen für die Städte - Kommentar von Tobias Blasius Essen (ots) - Nein, das dramatische Finanzproblem der allermeisten
NRW-Kommunen löst die Landesregierung mit ihrem Hilfspaketchen gewiss
nicht. Aber sie weist immerhin einen Weg aus der
Vergeblichkeits-Falle vieler Kämmerer. Das ist nicht wenig, wenn man
bedenkt, dass es zuletzt in Düsseldorf gute Übung war, das Wehklagen
aus den Rathäusern zu überhören. Rot-Grün will die Millionen künftig
stärker nach Bedürftigkeit verteilen und nimmt dabei die Solidarität
der vergleichsweise gesunden Kommunen in Anspruch. Das wird nicht
jedem gefallen. mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|