HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zur Abwertung Italiens
Geschrieben am 20-09-2011 |
Hamburg (ots) - Ein Kommentar von Oliver Schade
Nun haben die Rating-Agenturen also Italien ins Visier genommen.
Die Regierung in Rom kann die Herabstufung der eigenen
Kreditwürdigkeit durch Standard & Poor's selbstverständlich nicht
nachvollziehen und gibt lieber den Medien die Schuld. Sie hätten mit
falschen Darstellungen über die Finanzlage des Landes die
Herabstufung verursacht. Dabei sind die Fakten eindeutig: Italien hat
in den vergangenen Jahren einen der höchsten Schuldenberge in der
Eurozone angehäuft. Er liegt bei rund 1,9 Billionen Euro, was 120
Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung entspricht. Erlaubt sind
60 Prozent nach dem Vertrag von Maastricht. Das aktuelle
Haushaltsdefizit Italiens beträgt 3,8 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts, obwohl nur drei Prozent zugelassen sind. Zudem
wächst die Wirtschaft des Landes kaum noch und die Aussichten für das
kommende Jahr sind alles andere als rosig. Italien ist folglich
massiv überschuldet, und die Konjunktur droht komplett zu erlahmen.
Dass die Rating-Agenturen potenzielle Käufer italienischer
Staatsanleihen auf diese Problematik hinweisen, ist nicht nur ihr
Recht, sondern ihre Pflicht. Irland, Griechenland, Portugal, Spanien
und Italien - die Rating-Agenturen kennen keine Gnade. Und die Liste
der Eurostaaten mit schwindender Kreditwürdigkeit wird in den
kommenden Monaten noch länger werden - daran kann es keinen Zweifel
geben. Denn Euroland befindet sich insgesamt in einer tiefen
Schuldenkrise. Es handelt sich längst nicht mehr um Probleme
einzelner Staaten. Die Regierenden von Madrid über Berlin bis
Helsinki vermitteln keinesfalls den Eindruck, als ob sie die äußerst
prekäre Situation im Griff haben. Zwar wird von Politikern,
Zentralbankern und Ökonomen beinahe täglich über die nahende Pleite
Griechenlands schwadroniert. Aber wie eine solche Insolvenz in der
Praxis ablaufen soll, darüber schweigen sich die Kassandra-Rufer aus.
Die Eurozone braucht dringend klare Regeln für eine Staatspleite. Das
private Insolvenzrecht könnte hier als Vorbild dienen. Die Gläubiger
müssen von einem neutralen Schlichter an einen Tisch geholt werden,
einem Forderungsverzicht zustimmen und im Gegenzug hat der Schuldner
für die Zukunft strenge Sparauflagen einzuhalten. Denn nur dann hat
der Gläubiger die Chance, wenigstens einen Teil seiner Forderung
zurück zu bekommen. Aber genau beim Thema Sparen klaffen in der
gesamten Eurozone seit Jahrzehnten Reden und Handeln weit
auseinander. Zwar fehlt das Ziel des Schuldenabbaus in nahezu keinem
Wahlprogramm einer regierenden Partei in Europa, doch der Mut zu
tiefen, auch schmerzhaften Einschnitten bei Subventionen und
Sozialleistungen ist nicht vorhanden. Lieber werden Wahlen mit
vollmundigen, teuren Versprechen gewonnen und die Lösung des kaum
noch zu kontrollierenden Problems der Staatsverschuldung auf
unbestimmte Zeit verschoben. Der Schuldenberg Deutschlands wächst
derzeit um mehr als 136?000 Euro - in der Minute! Wir müssen also
nicht mit dem Finger auf Griechen, Iren oder Italiener zeigen. Die
Meister der roten Zahlen sitzen im eigenen Land. Schließlich war es
die Bundesrepublik, die zusammen mit Frankreich 2002 erstmals gegen
die Maastricht-Kriterien verstoßen hat. Schon kurze Zeit nach
Einführung des Euro signalisierten die Deutschen damit dem Rest
Europas, dass die fest geschriebenen Schuldengrenzen nicht ganz so
ernst genommen werden müssen. Eine Haltung, die heute weit verbreitet
ist in der Eurozone. Die Regierenden müssen endlich ernst machen mit
dem Schuldenabbau und die Verantwortlichen für die aktuelle
Euro-Misere nicht bei den Rating-Agenturen oder Medien suchen. Es ist
höchste Zeit, auch mal unpopuläre Entscheidungen zu treffen.
Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de meinung@abendblatt.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
353424
weitere Artikel:
- Berliner Zeitung: Inlandspresse - keine Vorabmeldung
Die "Berliner Zeitung" wünscht nach der Ehrlichkeits- eine Pünktlichkeitsoffensive der Bahn Berlin (ots) - Nun steht die Bahn einer ihrer Schwächen. Dies
hilft den Bahnkunden noch nicht viel. Wichtiger wäre es, die
Reiseinformationen über verspätete Züge und mögliche Anschlüsse zu
verbessern und die Wartezeit auf Bahnhöfen mit mehr Service zu
verkürzen. Am besten wäre es freilich, die Züge führen endlich wieder
zuverlässig. Bis es soweit ist, muss die Bahn ihren Fuhrpark
erheblich verbessern. Das lässt sich der Konzern zwar viele
Milliarden kosten, doch ehe neue Züge Entlastung schaffen, werden
Jahre vergehen. Es ist mehr...
- WAZ: Pure Hilflosigkeit. Kommentar von Stefan Schulte Essen (ots) - Wenn Bürger keine schlechten Nachrichten mehr hören
wollen, ist das verständlich. Wenn Politiker die Zeichen der Zeit
ignorieren, ist das Arbeitsverweigerung.
Während die deutsche Regierung mit sich und Nordeuropa mit
Südeuropa ringt, schaffen die Finanzmärkte Fakten. Sie ziehen Geld
aus französischen Banken ab. Standard & Poor's stuft die Bonität
Italiens herab. Und der Politik fällt nichts weiter ein, als die
Ratingagentur zu beschimpfen. Als würde das irgendetwas ändern. Die
Hilflosigkeit der Retter ist beängstigend, mehr...
- Wilson Sonsini Goodrich & Rosati eröffnen erste europäische Kanzlei in Brüssel Palo Alto, Kalifornien und Brüssel (ots/PRNewswire)
--
Wilson Sonsini Goodrich & Rosati, ein führender Anbieter von
juristischen Beratungen für die Technologiebranche, die
Life-Sciences-Branche und wachstumsstarke Unternehmen aus aller Welt,
ist sehr erfreut, die Eröffnung einer Kanzlei in Brüssel (Belgien)
bekannt zu geben. Die Leitung über die Kanzlei wird Michael Rosenthal
übernehmen, der zuvor als geschäftsführender Teilhaber der Kanzlei
von Hunton & Williams in Brüssel tätig war. Hinzu kommen ausserdem
Götz Drauz, der ehemalige mehr...
- Börsen-Zeitung: Rezessions-Menetekel, Kommentar zur Konjunktur von Stephan Lorz Frankfurt (ots) - Zunächst war es nur eine Krise im amerikanischen
Hypothekensektor, dann weitete sie sich zur Bankenkrise aus, und
zuletzt hatte sich auch die Konjunktur angesteckt. Die Welt stürzte
in eine tiefe Rezession. Alle Brandmauern zwischen den Sektoren waren
niedergerissen, weil über die Transmissionskanäle der Finanzmärkte -
Börsen und Banken - immer mehr Akteure in Mitleidenschaft gezogen
wurden. Das war in den Jahren 2008/2009.
Auch wenn Analysten die gegenwärtige konjunkturelle Situation noch
als "Konjunkturschwäche" mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Europa / Finanzkrise / Italien Osnabrück (ots) - Schrilles Alarmsignal
Traurig, aber wahr: Die Italiener werden mehr und mehr zu
Sorgenkindern der EU und speziell der Euro-Zone. Die Wirtschaft
lahmt, das Land ist maßlos überschuldet und, was am schwersten wiegt:
Italien wird hundsmiserabel regiert. Erst spät, viel zu spät, hat
sich die zögerliche und allzu sehr aufs eigene Wohl bedachte
Regierung Berlusconi zu Reformen aufgerafft, mit dramatischen Folgen.
Die Schulden sind auf 1,9 Billionen Euro gestiegen, fast 120 Prozent
der jährlichen Wirtschaftsleistung. mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|