FT: Kommentar zu Familienbericht
Geschrieben am 28-10-2011 |
Flensburg (ots) - Zeit ist Geld. Selten wurde die alte
Volksweisheit so deutlich missverstanden wie im achten
Familienbericht der Bundesregierung. Denn wenn sich Eltern mehr Zeit
für die Familie wünschen, dann doch auch deshalb, weil die Arbeit -
das Geldverdienen - ihnen mittlerweile so wenig Zeit für das wirklich
Wichtige im Leben, die existenziellen Beziehungen, lässt. Deshalb
kann man nicht, wie die Politik das jetzt so wohlfeil tut, den
Zeitwunsch vom Geld trennen. Das ist billige Ablenkung von alten
Beutezügen. Die große Koalition hat mit Streichungen bei der
Kindergelddauer, dem Wegfall der Eigenheimförderung und dem Ersatz
des Erziehungsgeldes durch das Elterngeld den finanziellen Spielraum
von Familien so verengt, dass Eltern heute beide erwerbstätig sein
müssen, um über die Runden zu kommen. Früher gab es noch die
Wahlfreiheit, heute ist das Leben für Familien alternativlos. Genau
das hat die Politik unter Merkel und von der Leyen auch beabsichtigt.
Familien sind den Mühlen der Wirtschaft ausgeliefert. Jetzt haben sie
weniger Geld und deshalb auch weniger Zeit. Schwarz-Gelb hat die Lage
nicht verbessert. Die Politik und ihre (selbst ausgesuchten) Berater
haben immer noch nicht begriffen, was das Kind braucht und was schon
Pestalozzi als Summe seiner pädagogischen Forschungen nannte: Die
drei Z, nämlich Zuwendung, Zärtlichkeit, Zeit. Zeit ist dabei das
Wichtigste, denn je weniger Zeit umso weniger Zuwendung. Das
Politikergerede von der "Qualitätszeit", die man dem Kind abends
widmen soll, ist wirklichkeitsfernes Gequatsche. Abends sind Mama und
Papa müde und die Fragen, die sich tagsüber stellten, längst
vergessen. Dabei geht es nicht nur ums "Knuddeln". Emotionen sind,
das hat die Forschung nachgewiesen, die "Architekten des Gehirns".
Aus ihnen entwickelt sich das Denken, mithin die
Innovationsfähigkeit, also das, was die deutsche Wirtschaft am
meisten braucht. Bindung geht der Bildung voraus - dieser Satz ist in
der Wissenschaft allgemein anerkannt, die Politik ignoriert ihn
hartnäckig. Und lobt sich noch. Das ist schon ärgerlich.
Pressekontakt:
Flensburger Tageblatt
Stephan Richter
Telefon: 0461 808-1060
redaktion@shz.de
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