Börsen-Zeitung: Aufatmen nach dem Rücktritt, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn
Geschrieben am 11-11-2011 |
Frankfurt (ots) - Am Freitag haben viele Marktakteure aufgeatmet.
Die Ära Berlusconi in der italienischen Politik neigt sich
unweigerlich ihrem Ende zu, es dürfte sich nur noch um eine Frage von
wenigen Tagen handeln, bis sich in Rom eine neue Regierung der
nationalen Einheit formiert. Was aber vielleicht noch wichtiger ist:
Auf einmal klappt es in dem hoch verschuldeten EU-Kernland wohl auch
mit den Reformen. Der Senat, also das Oberhaus, hat am Freitag mit
breiter Mehrheit ein erstes Sparpaket verabschiedet, dem am Montag
voraussichtlich auch das Unterhaus zustimmen wird. Wenn das geschehen
ist, will Berlusconi endgültig den Weg freimachen. Der Dax hat vor
diesem Hintergrund den Freitag mit einem deutlichen Plus von 3,2%
beendet. Im Wochenverlauf ergibt sich ein leichtes Plus des deutschen
Leitindex von 1,5%.
Am Credit-Markt sind die Spreads von Credit Default Swaps auf
italienisches Staatsrisiko hingegen nur leicht zurückgegangen und
auch beim Euro blieben die Reaktion mit einem Plus von einem US-Cent
zurückhaltend. Dafür gibt es einen guten Grund: Viele Marktakteure
haben erst einmal abgewartet, wie denn die für den Beginn der neuen
Handelswoche angesetzte Bondmarktauktion italienischer Staatsanleihen
verläuft. Sollten die von den Investoren geforderten Renditen weiter
sehr hoch bleiben oder gar noch weiter steigen, wäre das ein
schlechtes Zeichen.
Rezessionsgefahr
Zudem gibt es im Fall Italiens Rückwirkungen, die den
Marktteilnehmern zu denken geben. So werden das aktuelle Sparpaket
und die wohl erforderlichen weiteren Maßnahmen die Konjunktur in dem
Land deutlich dämpfen. Das Wirtschaftswachstum Italiens im kommenden
Jahr wird - ohne Einbeziehung der dämpfenden Wirkung des Sparpakets -
auf lediglich rund 0,5% geschätzt. Es ist also sehr gut möglich, dass
das Land 2012 in die Rezession gerät. Ob es Italien in einem durch
Kontraktion der Wirtschaft geprägten Umfeld gelingen würde, das
Haushaltsdefizit zu verringern, ist zweifelhaft. Es ist daher auch
wegen der hohen Zinsen italienischer Staatsanleihen keineswegs
auszuschließen, dass Italien nicht doch noch auf ein Stützungspaket
durch EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) angewiesen sein
könnte. Eine solche Rettungsaktion würde die European Financial
Stability Facility (EFSF) zweifellos überfordern. Die Analysten des
Bankhauses Metzler spekulieren daher, dass die EFSF auf die
Refinanzierung durch die Europäische Zentralbank angewiesen sein
könnte. Ein solcher Schritt wäre sicherlich mit einem enormen
Vertrauensverlust für die europäische Gemeinschaftswährung verbunden.
Insofern ist nicht damit zu rechnen, dass die Sorgen der Anleger
hinsichtlich der europäischen Schuldenkrise nun nennenswert
nachlassen.
In einem solchen Umfeld erscheinen nur noch ganz wenige
Asset-Gruppen als wirklich sicher. Wenn zehnjährige Bundesanleihen
mit ungefähr 1,75% rentieren und der Bund für sechsmonatige
Geldmarkttitel kaum noch etwas bieten muss, spricht das Bände.
Während Bundesanleihen trotz des Renditetiefs also enorm gefragt
sind, werden sich Anleger bei Aktien weiter zurückhalten. Die
Jahresendrally wird im laufenden Jahr vermutlich ausfallen, oder sie
wird zumindest sehr verhalten verlaufen. Seit Jahresanfang hat der
Dax 12% eingebüßt. Dass er das bis Ultimo noch aufholen kann, ist
ziemlich unwahrscheinlich.
Nicht ganz aus dem Auge verlieren sollten Anleger auch die USA.
Dass auch die Vereinigten Staaten eine Schuldenkrise haben, wird
durch die Pleite der US-Gebietskörperschaft Jefferson County in
Erinnerung gerufen. Zwar kann der Landkreis im US-Bundesstaat Alabama
lediglich die Summe von 4 Mrd. Dollar nicht zurückzahlen und der
Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11 kam nicht ganz unerwartet.
Dennoch bedeutet er ein Menetekel für den 2,8 Bill. Dollar schweren
Markt für US-Kommunalanleihen. In den USA sind viele Landkreise und
Bundesstaaten über beide Ohren verschuldet.
Einen gewissen Lichtblick für Investoren stellt dagegen Frankreich
dar - trotz der Schrecksekunde infolge der irrtümlichen Herabstufung
des Landes durch die Ratingagentur Standard & Poor's. Frankreich
macht mit der versprochenen Haushaltsdisziplin Ernst. In der
beendeten Woche hat der französische Premierminister François Fillon
neue Sparmaßnahmen im Volumen von 7 Mrd. Euro angekündigt, um das
Defizitziel des Jahres 2012 von 4,5% des Bruttoinlandsprodukts zu
erreichen. Selbst bei den Franzosen ist der Sparkurs jüngsten
Meinungsumfragen zufolge gut angekommen.
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