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WAZ: Dem Eigentum verpflichtet. Leitartikel von Thomas Wels

Geschrieben am 17-11-2011

Essen (ots) - Wenn die Sonne scheint wie in diesen
Spätherbsttagen, entfalten die Siedlungshäuser der Margarethenhöhe
ganz besonderen Charme. Zu verdanken haben die Essener dieses
kuschelige Kleinod der Margarethe-Krupp-Stiftung für
Wohnungsfürsorge. Wohnungsfürsorge - ein Wort wie aus der Zeit
gefallen. Und gerade deshalb ist das bevorstehende 200-jährige
Jubiläum der Krupp-Gründung ein Datum, um folgende Frage zu stellen:
Geht das heute noch, soziales Engagement trotz harter
Wettbewerbskämpfe um die Vorherrschaft auf asiatischen Märkten,
ruhr-rheinischer Kuschel-Kapitalismus in Zeiten der Finanzkrise? Es
geht, wenn nur die handelnden Personen auf einem soliden
Wertefundament stehen und von dort aus am wirtschaftlichen Erfolg der
Firma arbeiten. Substanz erhalten ist das eine, gelebte
Sozialpflichtigkeit des Eigentums das andere. 615 Millionen Euro hat
die Krupp-Stiftung, die mit 25,3 Prozent Großaktionär von
Thyssen-Krupp ist, seit ihrer Gründung 1968 für gemeinnützige Zwecke
ausgegeben. Das ist keine Selbstverständlichkeit und hängt wie immer
an den Menschen. Der 98-jährige Berthold Beitz ist als
Stiftungsvorsitzender und Ehrenaufsichtsratschef der Bewahrer dieser
Tradition. Und er muss zuweilen dafür ins Geschirr. Wie im April
2009, als der Konzern in schwere Wasser geraten war, ein drastischer
Umbau die Sozialpartnerschaft zu zerrütten drohte. Heraus kam ein
moderierter und zelebrierter Schulterschluss, genannt "Essener
Erklärung". Es ist gewiss kein Zufall, wenn beim Festakt am Sonntag
auch der Betriebsratschef das Wort ergreift. Man sollte nichts
überhöhen. Wie die soziale Marktwirtschaft Deutschland gut durch die
Krise gebracht hat, so sichert das Stiftungsmodell die Tradition und
schützt die Eigenständigkeit von Thyssen-Krupp. Vor notwendigen und
harten Schnitten (Rheinhausen) schützt beides nicht. Es ist eine
Gratwanderung: Balance zu halten und trotzdem voranzukommen. Der
Konzern ist mit 6,25 Milliarden Euro verschuldet, muss sich von
Unternehmen mit vielen Tausend Beschäftigten trennen, um neue
Geschäfte aufbauen zu können. Thyssen-Krupp braucht Geld und eine
Firmenkultur mit flacheren Hierarchien. Das ist nicht wenig. Fazit:
Es ist dem Konzern, seinen Mitarbeitern und dem Umfeld zu wünschen,
dass er den Weg der Erneuerung findet, ohne die Werte und Wurzeln zu
verlieren. Eigentum verpflichtet.



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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