Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
Schulterschluss der Zentralbanken
Schneeballsystem
MARTIN KRAUSE
Geschrieben am 30-11-2011 |
Bielefeld (ots) - Der Dax kletterte in Frankfurt um mehr als 4
Prozent und hüpfte lässig über die 6.000-Punkte-Marke. Auch an
anderen Börsen freuten sich die Anleger offenbar riesig darüber, dass
die Europäische Zentralbank und fünf andere Notenbanken ein
"gemeinsames Hilfsprogramm" auflegten, um einer drohenden
Kreditklemme vorzubeugen. Doch keines der drängenden Probleme in der
Krise ist damit gelöst. Die Akteure haben bestenfalls ein bisschen
Zeit gewonnen. Und alle, denen der Ernst der Lage noch nicht ganz
klar war, haben aufgeschreckt. Die gegenwärtige Krise zieht alles in
ihren Bann, und gerade deswegen ist sie so schwer zu fassen. Schon
die Benennung ist nicht einheitlich. Staatsschuldenkrise passt, weil
viele Staaten seit Jahrzehnten mehr Geld ausgeben, als sie bei
realistischer Betrachtung jemals zurückzahlen können. Die
Industrieländer haben ein gigantisches Schneeballsystem aufgebaut,
das nun auffliegt. Insofern haben wir am Ende also eine Systemkrise:
Die privatwirtschaftliche Finanzierung von Staaten stößt an Grenzen,
weil private Investoren das Risiko scheuen, Teile ihres Einsatzes zu
verlieren. Der Fall Griechenland lässt grüßen. Spötter schauen dem
Kollaps des Systems mit wohligem Grusel zu. Doch mit der (sozialen)
Marktwirtschaft steht auch die Demokratie unter Druck. Die
Industrieländer Europas und der Welt haben allen Grund, um den Erhalt
ihrer Errungenschaften zu kämpfen. Gemeinsame Aktionen von
Notenbanken sind ein beruhigendes Zeichen; sie zeigen, dass die
staatlichen Institutionen im Notfall zusammenarbeiten. Die Aktion
selbst brachte gestern nur ein paar Schneeflocken, um das
heißgelaufene System etwas zu kühlen. Das Misstrauen gegen bankrotte
Staaten und jene Banken und Geldgeber, die für ihre Finanzierung
gesorgt haben, hat sich aber um keinen Deut verringert.
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Neue Westfälische
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