DER STANDARD-Kommentar "Wer bremst, verliert" von Michael Völker
Geschrieben am 01-12-2011 |
Ein Rechnungshofbericht aus Absurdistan: Der Politik fehlt der
Wille zu Reformen // Ausgabe vom 2.12.2011
Wien (ots) - Es ist eine ausgedehnte Reise durch Absurdistan, bis
hinein in die tiefsten Täler und entlegendsten Winkel des
Beamtentums. "Der Bürokratie in Österreich entkommt niemand", stellt
Rechnungshofpräsident Josef Moser fest. Die Verwaltung verwaltet sich
selbst, das System dient sich selbst, die Bürokratie hat ihren Sinn
in der Bürokratie. Die Bürger sind oft nur ein Störfaktor.
Zweigleisigkeiten gelten dabei noch als schlanke Strukturen: Im
aktuellen Rechnungshofbericht sind dutzende Beispiele von Drei-,
Vier- und Fünfgleisigkeiten angeführt. Die österreichische Verwaltung
gleicht immer noch einem unüberblickbaren Verschubbahnhof, in dem die
Effizienz letztendlich auf dem Abstellgleis endet.
Österreich ist überreguliert. Jeder Politiker, der dieser Tage die
Schuldenbremse propagiert und für ihre Verankerung in der Verfassung
eintritt, sollte zwangsweise dazu verpflichtet werden, sich den
aktuellen Rechnungshofbericht zu Gemüte zu führen. Das gilt
insbesondere für Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael
Spindelegger, die derzeit noch um die Zustimmung der Opposition zu
ihrer Art von Schuldenbremse ringen. Es sind bloß 334 Seiten, gefüllt
mit Beispielen aus der Praxis. Der Rechnungshof zeigt 599
Einsparungsvorschläge auf, wie die Verwaltung schlanker werden
könnte.
Nicht alle Beispiele zielen auf einen Einsparungseffekt ab, manche
machen das System auch nur effizienter: wenn etwa Polizeibeamte
weniger intensiv ihr Wachzimmer und ihren Dienst administrieren und
stattdessen im Außendienst für mehr Sicherheit sorgen würden.
Viele der Beispiele, die der Rechnungshof auflistet, sind nicht neu.
Die Verbesserungsvorschläge sind auch in den Berichten der
vergangenen Jahre gut dokumentiert. Es ist ja nicht so, dass man das
nicht wüsste. Es fehlte der Politik bisher der Wille und der Mut,
diese Reformen anzugehen.
Bisher galt: Wer bremst, verliert. Nämlich Geld, Einfluss und Freunde
- letztendlich Macht. Wenn die Strukturen schlanker werden, gibt es
weniger Geld zu verteilen. Wenn die Verwaltungsposten und die Titel
weniger werden, wenn der Proporz zurückgedrängt wird, dann gibt es
auch weniger "Gschafteln" zu verteilen, weniger Parteigänger zu
bedienen. Dann werden die "Freunde" weniger, dann sinkt der Einfluss
- und die Macht. Das wollten bisher weder SPÖ noch ÖVP, weder Faymann
noch Spindelegger.
Nicht alles, aber vieles liegt in der Grundstruktur der Republik
begraben: Das entscheidende Problem ist der Föderalismus, das
schwierige Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Da traut sich die
Regierung in Wien nicht drüber. Da ist der Spundus vor den
Landeshauptleuten und ihrem Einfluss doch wieder zu groß.
Auch auf die Gefahr hin zu langweilen, es wurde schon oft und oft
gesagt: Der Bundesrat gehört weg. Das ist in erster Linie ein
symbolischer Akt, keiner, der viel Geld bringt, aber aufgrund der
Willenskundgebung wichtig. Unabhängig davon gehören die Strukturen
von den Ministerien bis hinunter in die kleinen Gemeinden angepackt,
muss die Ineffizienz des Systems und seiner Verwaltung auf allen
Ebenen konsequent angegangen werden. Auch wenn das beim Bund und bei
den Ländern den Verlust von Einfluss bedeutet. Diesen Mut und diese
Ernsthaftigkeit muss die Regierung noch finden. Die Lektüre des
Rechnungshofberichts könnte dabei helfen. Dann kann gebremst werden.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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