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Robert Menasse eröffnet 5. Mediengipfel am Arlberg mit flammendem Plädoyer für Europa (mit Bild)

Geschrieben am 02-12-2011

Lech/Zürs (ots) -

Nach der offiziellen Begrüßung der hochkarätigen Teilnehmer des 5.
Mediengipfel am Arlberg durch den designierten Vorarlberger
Landeshauptmann Markus Wallner, sorgte Autor Robert Menasse mit
seinem provokanten Eröffnungsprolog "Grüße aus Auschwitz!" für den
ersten Paukenschlag. Bei der anschließenden Expertendiskussion zum
Thema "Das gemeinsame Europa und seine Irrtümer" lieferten sich
NZZ-Chefredakteur Markus Spillmann, Zeit-Österreich-Chef Joachim
Riedl und Philosoph Konrad Paul Liessmann einen heftigen
Schlagabtausch.

Lech am Arlberg ist in den kommenden Tagen der Nabel der
europäischen Medienwelt. Von 1. bis 3. Dezember 2011 diskutieren
namhafte Journalisten aus den renommiertesten Redaktionen, Politiker
und Experten die Zukunft des vereinten Europas sowie die aktuelle
Mediensituation in Ungarn. Die Eröffnung des 5. Mediengipfels am
Arlberg erfolgte durch den designierten Vorarlberger Landeshauptmann
Markus Wallner, der es sich nicht nehmen ließ, wenige Tage vor seiner
offiziellen Amtsübernahme vor diesem einzigartigen Publikum,
bestehend aus den wichtigsten Meinungsmachern Mitteleuropas,
aufzutreten. Wallner plädierte bei dieser Gelegenheit an die
Anwesenden, das Vertrauen in Europas politische Ebene nicht zu
verlieren: "Auch wenn die Spekulanten oft schneller sind als die
Politik, was auch mir Sorgen bereitet." In seiner Ansprache ging der
künftige Landeshauptmann, passend zum diesjährigen Thema der
Veranstaltung "Ende oder Wende - Zerbricht Europa?", auf die
besondere Rolle Vorarlbergs als grenzüberschreitende Region im Herzen
Europas ein, die Integration tagtäglich lebt: "Wir wissen, wie sehr
wir von den engen Verflechtungen zu unseren Nachbarn abhängen. Mehr
als jeden zweiten Euro verdient Vorarlberg im Ausland, wir sind
extrem exportorientiert." Daher erhoffe er sich von den hochkarätigen
Teilnehmern des Mediengipfels, die eben diese Zukunft Europas
diskutieren, mögliche Lösungsvorschläge angesichts der aktuellen
Probleme. Neben Wallner begrüßten auch der Bürgermeister von Lech,
Ludwig Muxel, sowie der Geschäftsführer von Lech Zürs Tourismus,
Hermann Fercher, die prominenten Gipfelteilnehmer.

Provokanter Menasse-Prolog: Europa steckt in einer Systemkrise

Für einen Auftakt nach Maß sorgte Schriftsteller Robert Menasse,
der im Zuge seines Eröffnungsprologs mit dem Titel "Grüße aus
Auschwitz!" mit der Europäischen Politik hart ins Gericht ging: "Ich
bezweifle die demokratische Legitimation jener Regierungschefs, die
sich damit brüsten, was sie in Brüssel wieder gegen die EU und für
ihren kuscheligen Nationalstaat durgesetzt haben." Hinter diesem
System stecke eine groteske Logik, so Menasse weiter, angesichts
derer man die stagnierende und teils rückläufige Europäische
Integration verstehen muss und die in weiterer Folge zur aktuellen
Finanzkrise geführt habe. Menasse weigert sich daher, von einer
Finanzkrise zu sprechen und nennt die aktuelle Bredouille der EU eine
"politische Krise". Insbesondere der Europäische Rat stellt für
Menasse eine kontraproduktive Institution am Weg zum vereinten Europa
dar: "Da sitzen die Hyänen der nationalen Politik drinnen." Den
Lissabon-Vertrag, der es nicht fertig gebracht habe, das Europäische
Parlament mit echten parlamentarischen Rechten auszustatten und so
vom Einfluss des nationalstaatlichen Denkens zu befreien, nennt der
Autor "einen einzigen, großen Betrugsfall". Dieser Widerspruch
zwischen so genannten "nationalen Interessen" und dem supranationalen
Gedanken der EU, drohe zur Zerreißprobe Europas zu werden. In gewohnt
provokanter Manier rief Menasse dazu auf, der Politik ihr
Fehlverhalten aufzuzeigen: "Man müsste allen, die heute das
Europäische Projekt blockieren, die sogar versuchen uns am
eingeschlagenen Weg zurückzudrängen, Ansichtskarten aus Auschwitz
schicken, um ihnen vor Augen zu führen, was diese nationalistische
Geisteshaltung schon einmal angerichtet hat."

Leidenschaftliche Podiumsdiskussion zur Zukunft Europas

Robert Menasse lieferte mit seinem flammenden Plädoyer für die
Europäische Integration eine perfekte Steilvorlage für die
darauffolgende hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion unter der
Leitung von "Der Standard"-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid.
So widersprach Philosoph Konrad Paul Liessmann Menasse, indem er
darauf verwies, dass in Europa bereits einmal transnationale Eliten
am Ruder gewesen seien - die Monarchen sowie die Kommunisten im
ehemaligen Ostblock. Die Grüne EU-Parlamentarierin Eva Lichtenberger
teilt hingegen die kritische Haltung gegenüber dem Europäischen Rat,
den sie einen "nationalen Eliten-Basar, der den Lissabon-Vertrag
systematisch unterläuft" nennt. Sie ruft dringend dazu auf, im Sinne
der kommenden Generationen das Ziel der echten Integration nicht aus
den Augen zu verlieren. Lob für den prinzipiellen Gedanken hinter dem
Projekt Europa kommt vom Executive Director des Aspen Institute
Deutschland, Charles King Mallory IV. Die bereits erbrachte Leistung
dieses Experiments, nämlich 60 Jahre Frieden, verdiene daher größte
Anerkennung. Darum warnt Mallory davor, die EU abzuschreiben.

Kritik an Menasses provokantem Prolog kam vom Chefredakteur der
Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), Markus Spillmann. Europa sei nun einmal
kein supranationales Gebilde, sondern nur auf Basis seiner
gewachsenen Geschichte zu verstehen. In der aktuellen Gemengelage sei
die oberste Priorität, sich zuerst darauf zu einigen, was Europa denn
nun in Zukunft werden solle. Genau dieses gemeinsame Ziel, das
Menasse in der Integration verortet, kann der Schweizer nämlich nicht
erkennen. Dabei allein auf die Geschichte zu bauen sei zu wenig: "Das
Argument der friedensstiftenden Union ist in Friedenszeiten zu
wenig." Der Bundesstaat Schweiz habe letztlich 600 Jahre gebraucht,
um einen gemeinsamen Weg zu finden. Der Leiter des Wiener Büros der
Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit", Joachim Riedl, forderte mehr
Realismus in der Debatte: "Die Vereinigung Europas ist schließlich
kein Projekt, das aus der Bevölkerung entstanden ist oder von einer
Massenpartei ausging, sondern geht auf eine kleine politische Elite
zurück." Das vereinte Europa existiere in den Köpfen der Menschen
nicht.

Erik Kirschbaum, der Korrespondent für Reuters in Berlin, hält
hingegen große Stücke auf das Projekt Europa. Auch wenn die
Geschwindigkeit der Integration nach dem etwas holprigen Muster "zwei
Schritte nach vorne, einer zurück" funktioniere. Wenn Europa einen
gemeinsamen Weg finde, so der Amerikaner, hätte es letztlich das
Potenzial, selbst die USA zu überflügeln: "Weil die eigentlich viel
gravierendere Probleme haben als Europa."

Letztlich kamen die Diskutanten zu einem Schluss, den Philosoph
Liessmann so formulierte: Europa ist nicht mehr und noch nicht. Nicht
mehr in der Situation, in der es vor 50 Jahren war. Und noch nicht
dort, wo es die Visionäre der Integration gerne sehen würden. Nun
gelte es, festzustellen, welchen Kurs man weiterhin einschlagen
wolle. Bevor dieser gemeinsame Wille nicht formuliert wird, sei
schließlich kein gemeinsamer Weg gangbar.

Der 5. Mediengipfel am Arlberg - einzigartiges Forum für
Meinungsmacher

Initiiert wurde der Mediengipfel vor fünf Jahren von der
Kommunikationsagentur pro.media, seither wird die Veranstaltung in
enger Kooperation mit der Lech Zürs Tourismus GmbH organisiert. Im
Rahmen des Mediengipfels am Arlberg treffen sich alljährlich führende
Auslandskorrespondenten internationaler Medien mit österreichischen
Medienmachern, um aus unterschiedlichsten Länderperspektiven aktuelle
Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Medien sowie deren
gesellschaftspolitische Auswirkungen zu analysieren.

Unterstützt wird das Treffen der Auslandskorrespondenten vom
Verband der Auslandspresse in Österreich und Deutschland, Swarovski
Tourism Service GmbH, Intersky, Mercedes Benz sowie den
Medienpartnern Der Standard, APA - Austria Presse Agentur, ORF,
Vorarlberger Nachrichten, NZZ - Neue Zürcher Zeitung, news aktuell
sowie dem Presseclub Concordia



Pressekontakt:
pro.media kommunikation
c/o mag. stefan kröll
kapuzinergasse 34a
a-6020 innsbruck

t: +43 512 214004 11
f: +43 512 214004 21
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