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Westdeutsche Zeitung: Die Parteien scheinen sich geschlossen nach links zu bewegen = von Martin Vogler

Geschrieben am 04-12-2011

Düsseldorf (ots) - Ist Deutschland auf Linkskurs? Spätestens seit
dem Wochenende scheint es so. Vor allem die Piratenpartei, die
bislang mit erfrischendem Auftreten und bei Internet-Themen gegenüber
den etablierten Gruppierungen punktete, überraschte bei ihrem
Parteitag mit Positionen, wie man sie ansonsten vor allem von der
Linkspartei kennt. Eine klare Mehrheit der Mitglieder stimmte für
bedingungsloses Grundeinkommen, stärkere Besteuerung von
Kapitaleinkünften, höheren Spitzensteuersatz und eine Reichen-Abgabe.
Die Grundrichtung der bisher schwer einzuordnenden Neulinge ist damit
klar. Ähnliche Tendenzen bei der SPD. Der Vorstand der Partei, in
deren Regierungszeit der Spitzensteuersatz einst deutlich gesenkt
wurde, ist schon seit Monaten dabei, das rückgängig zu machen. 49
statt 42 Prozent Spitzensteuersatz lautet das Ziel. Im Umfeld des
SPD-Parteitags brachte jetzt ein Teil der Mitglieder sogar eine
zusätzliche Reichensteuer ins Spiel. Ausgang ungewiss. Doch zumindest
mit einem Kanzlerkandidaten Sigmar Gabriel wäre die neue Abgabe wohl
denkbar. Und die Union? Zumindest beim Mindestlohn besetzt sie längst
Positionen, die sie früher als linke Spinnerei abgetan hätte. Die
Parteien nehmen damit eine derzeit vorherrschende Stimmung der
Bevölkerung auf. Obwohl es den meisten Deutschen gut geht und die
Arbeitslosigkeit gering ist, sehnen sich viele unter dem Eindruck der
Bankenkrise und der Euro-Wirrungen nach persönlicher Sicherheit und
angeblicher sozialer Gerechtigkeit. Das ist verständlich und oft auch
von noblen und idealistischen Motiven getrieben. Die Gefahr, mit
solchen Entscheidungen den Leistungswillen der Menschen zu dämpfen
und dadurch allen zu schaden, blenden leider viele aus. Auch die
Parteien selbst gehen ein hohes Risiko ein, wenn sie fast alle den
Linkskurs wählen. Wer bietet künftig konservativeren und liberaleren
Menschen eine Heimat? Ob die siechende FDP darüber zu neuer Stärke
fände, ist zweifelhaft. Die heimatlosen Wähler wären eher ein
vielversprechendes Potenzial für eine neue Partei. Leute wie
Guttenberg oder Sarrazin könnten das als Chance begreifen. Oder die
Heimatlosen fänden keine Gruppe ihres Vertrauens mehr. Was schlecht
für Wahlbeteiligung und Demokratie wäre.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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