Westdeutsche Zeitung: Die getriebenen Staatenlenker =
von Peter Kurz
Geschrieben am 06-12-2011 |
Düsseldorf (ots) - In der Antike wurde der Überbringer schlechter
Nachrichten geköpft. Doch Standard & Poor's ist viel mehr als nur ein
solcher Bote. In einer Anmaßung von Macht setzt die private
US-Ratingagentur Europas Staatenlenkern vor ihrem Gipfel die Pistole
auf die Brust: Entscheidet ihr nicht so, wie wir es erwarten, dann
lassen wir euch und euer gesamtes Rettungsprojekt durchfallen. Das
hieße, dass die Prophezeiung schon aufgrund dieser Benotung und den
zu zahlenden höheren Zinsen zur teuren Realität wird. Durch nichts
ist die Ratingagentur, die da so unverhohlen Druck auf die
demokratisch Legitimierten macht, ihrerseits legitimiert. Und kann
doch Politik machen, die uns alle betrifft. Nun sagen einige, es sei
doch ganz heilsam, dass Standard & Poor's seine Warnung vor dem
Brüsseler Gipfel ausgesprochen hat. Doch das macht die Sache nicht
besser. Denn auch das Beschönigen der Einmischung als Ansporn für die
Politik ändert nichts daran: Dieser undurchsichtige Mitspieler von
jenseits des Ozeans hat kein Mandat für seine unerbetenen Ratschläge.
Während die europäischen Akteure darauf verweisen, sie unternähmen
doch schon alle Sparanstrengungen, ist aus den Fingerzeigen der
Ratingagentur durchaus herauszulesen, was sie erwartet. Dass nämlich
"ein allein auf Sparprogramme ausgerichteter Reformprozess" nicht
ausreiche. "Mehr tun", lautet also die Order. Was das heißen soll,
lässt sich unschwer erkennen: Die Europäische Zentralbank soll
kräftig Staatsanleihen aufkaufen - was wiederum hieße, dass die
Gelddruckmaschine angeworfen wird. Inflation wäre die für uns alle
teure Folge. Dass sich die Politik all dies ohnmächtig gefallen
lassen muss, hat sie freilich auch sich selbst zuzuschreiben. Wie
lange hangelt man sich schon von Gipfel zu Gipfel, ohne dass es je
zum echten Befreiungsschlag gekommen wäre? Derweil steigen die
staatlichen Haftungsversprechen in immer schwindelerregendere Höhen.
Es ist auch gar zu bequem, Schuldversprechen zu geben, die
nachfolgende Generationen dann bedienen sollen. Auch wenn das keiner
wollen kann: Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass schon dieser
Generation, die die Schulden so eigensüchtig auftürmte, die
Konsequenzen um die Ohren fliegen.
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Westdeutsche Zeitung
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