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FT: Kommentar von Anette Asmussen: Unbequeme Wahrheit - Sinkende Lebenserwartung von Geringverdienern ist nicht überraschend

Geschrieben am 13-12-2011

Flensburg (ots) - von Anette Asmussen

Es ist eine Nachricht, die viele in Deutschland nicht hören
wollen: Die Lebenserwartung der Menschen, die mit staatlichen Hilfen
oder als Geringverdiener über die Runden kommen müssen, sinkt.

Dabei ist diese Entwicklung gar nicht überraschend. Sie geht Hand
in Hand mit der Erkenntnis, dass die Einkommenskluft zwischen Arm und
Reich hier in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich stärker
gewachsen ist als in den meisten anderen Industrienationen. Eine
entsprechende Studie legte die Organisation für Wirtschaftliche
Entwicklung und Zusammenarbeit in der vergangenen Woche vor.

Und dass Armut krank macht, ist lange bekannt. Sicher spielen
dabei auch schlechte Ernährung, Alkohol- und Zigarettenkonsum eine
Rolle. Vor allen Dingen aber ist es die tägliche Existenzangst, die
mürbe macht, der Stress, in verschiedenen Kleinst-Jobs arbeiten zu
müssen, um die Familie durchzubringen, die fehlende Wertschätzung,
die Hilfeempfängern und Geringverdienern allenthalben entgegenschlägt
und die fehlende Selbstachtung.

Die Politik der vergangenen Jahre hatvieles getan, um Menschen in
diese Armut zu bringen. Die Arbeitsmarktreformen verschärften die
Lage auf dem Niedriglohnsektor. Reguläre Jobs wurden in Mini-Jobs
aufgespalten. Daneben machten die Gesundheitsreformen medizinische
Versorgung zur Einkommenssache: Viele Geringverdiener mögen seit
Einführung der Praxisgebühr nicht einmal mehr zum Arzt gehen.
Zahnersatz ist Luxusgut.

Statt aber die Warnung der Rentenversicherung ernst zu nehmen,
weist die Regierung deren alarmierende Zahlen eilig als "nicht
belastbar" zurück. Deutsche Politiker, so scheint es, haben zu viel
mit Wirtschaftsfragen und der Euro-Rettung zu tun, um die immer
offensichtlicheren Probleme im eigenen Land anzugehen. Doch will
Deutschland international ein starker Wirtschaftspartner bleiben,
muss es sich jetzt um seine Bürger kümmern. Die Vereinfachung des
Steuer- und Transfersystems ist genauso überfällig wie vernünftige
Bildungs- und Betreuungsangebote oder angemessene Arbeitslöhne.



Pressekontakt:
Flensburger Tageblatt
Anette Asmussen
Telefon: 0461 808-1060
redaktion@shz.de


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