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Mittelbayerische Zeitung: Europa ist wachgerüttelt / Die Krise ist die Chance, unser Gesellschaftssystem zu entrümpeln, effizient und zukunftstauglich zu gestalten.

Geschrieben am 21-12-2011

Regensburg (ots) - Von Patricia Dudeck

Das Eurokrisenbeben erschüttert Europa mit immer stärkerer Wucht
und die Welt zittert mit. Inzwischen klirren selbst in Südamerika und
Asien die Gläser im Schrank: Japans Wirtschaft schrumpft leicht. Die
wachsende Wucht hat Europa leider gebraucht. Alles Lose und Marode,
was nicht krisenfest war, ist dadurch an die europäische
Öffentlichkeit gedrungen - vieles jedenfalls. Jetzt müssen die
Konsequenzen folgen: die Machenschaften der Staaten offenlegen.
Schluss mit Korruption und anderer Geldverschwendung auf Kosten der
Gesellschaft. Ganz klar, die Erdbebenherde liegen in den
Staatssystemen selbst. Rein politische Befindlichkeiten verhinderten,
dass die Länder grundlegende Probleme angingen. Die sich zuspitzende
Krise saßen die Politiker, aber auch die Bürger aus, bis es nicht
mehr ging. Ab 2012 soll nun alles besser werden: Dänemark startet
seine Ratspräsidentschaft ab 1. Januar mit der Kampagne für mehr
Verantwortung. Klingt gut, denn das Verantwortungsbewusstsein der
Staats- und Regierungschefs darf nicht mehr bloß bis zur nächsten
Wahl reichen. Das technische Hilfswerk zur Eurorettung wird momentan
unter Hochdruck aufgefahren: Die Europäische Zentralbank öffnet ihre
Schleusen für unbefristete Günstigkredite an Banken. Bereits Mitte
2012 kommt der permanente Rettungsfonds ESM mit so viel Eigenkapital
wie möglich. Je schneller, desto besser. Die Finanzmärkte wollen
sehen, dass die Politiker Ernst machen. Während des Krisenbebens
fielen sechs amtierende Regierungen. Ihnen fehlte der Rückhalt der
Bürger. Wenn dieser Trend anhält, muss auch Nicolas Sarkozy um seine
weitere Präsidentschaft fürchten. Doch selbst wenn er im Februar
wiedergewählt wird, blockieren die Sozialisten wohl weiter die
Schuldenbremse für Frankreich, die er mit Bundeskanzlerin Merkel
propagiert. Es ist überhaupt fraglich, was geschieht, wenn die
EU-Länder fast gleichzeitig auf die Schuldenbremsen treten.
Konjunkturprognosen sind eher düster. Wenn ein Staat spart, schraubt
er neben internen Investitionen auch die Bestellungen in anderen
EU-Ländern zurück, wie etwa Griechenland für seine Aufrüstung. Um nur
das nötigste Geld in zukunftstaugliche Projekte zu stecken, müssen
die Staaten vor allem rein politisch getriebene Bauprojekte stoppen.
Lieber Eisenbahnnetze ausbauen statt breiterer Straßen. Der
Verwaltungsapparat muss abspecken. Mehr elektronisch abwickeln,
weniger veraltete Papierkramorgien, die von viel Personal verwaltet
werden müssen. Und Menschen, die dadurch Jobs verlieren oder schon
lange suchen, brauchen eine Perspektive. Denn das Geld für
Mehrwertsteuererhöhungen oder Ähnliches muss ja irgendwo herkommen.
Die Regionen müssen Arbeit und zielgenaue Weiterbildung schaffen, die
ihnen lokal zugutekommt. Windkraftanlagen etwa: Bau, Wartung,
Energiegewinn, alles vor Ort. Staaten setzen den Rotstift in Sozial-
und Gesundheitssystemen an. Sie können nicht mehr jeden unter ihre
Fittiche nehmen. Jeder, der stark genug ist, für sich selbst zu
sorgen, wird das in Zukunft auch noch mehr und bewusster tun müssen.
Und die Schonzeit für Steuerhinterzieher muss jetzt endgültig vorbei
sein. Neue Sonderabgaben auf Luxusautos und Jachten wie in Italien
wären gar nicht erst nötig, wenn jeder seinen rechtmäßigen Teil an
die Gesellschaft abführte. Barack Obamas Motto "Verpasse niemals eine
gute Krise" ist wahr. Ob im persönlichen Leben, im Staat oder in der
Eurozone. Eine schwere Krise stößt jeden auf die Stellen im System,
die nicht funktionieren. Und es sind viele rote Alarmlampen
angesprungen in allen Bereichen der EU. Bildung, Soziales,
Arbeitspolitik, Finanzwesen. Die Krise ist die Chance, unser
Gesellschaftssystem zu entrümpeln, effizient und zukunftstauglich zu
gestalten. Die Schwachen dürfen dabei jedoch nicht auf der Strecke
bleiben. In Griechenland hat sich die Selbstmordrate während der
Krise mindestens verdoppelt. Mehr als fünf Millionen Jugendliche sind
in Europa ohne Arbeit. Jetzt gilt es die Schwachstellen mit Bedacht
zu sanieren. Das Bildungssystem zum Beispiel als Fundament für Arbeit
und damit für Wirtschaftswachstum. Europa ist endlich wachgerüttelt.
Machen wir etwas daraus!



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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