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"DER STANDARD"-Kommentar: "Die Koalition im falschen Film" von Michael Völker

Geschrieben am 27-12-2011

Falsche Besetzung, schlechtes Drehbuch: Das Budget wird kein
Kassenschlager - Ausgabe vom 28.12.2011

Wien (ots) - Das wird was werden: Bundeskanzler Werner Faymann hat
sich, seiner Partei und dem verfreundeten Koalitionspartner am
Dienstag nach Weihnachten Disziplin verordnet. Es sollen nicht alle
wie im Hühnerstall ständig herumgackern: Steuern rauf, Steuern
runter, mehr Einsparungen, weniger Einsparungen.
Wer soll sich daran halten? Ganz sicher nicht die Koalitionsparteien.
Dort ist es doch längst ein breitenwirksamer Sport geworden, sich
anhand der geplanten Budgetkonsolidierung mit aller Gewalt zu
positionieren. Von den Landeshauptleuten hinab bis zu den lokalen
Parteifunktionären arbeiten sich derzeit ohnedies alle am Thema
Einnahmen und Ausgaben ab. Die Parteichefs sowieso - als ob schon
Wahlkampf wäre.
Die SPÖ steht für neue Steuern, also fürs Einnehmen: Das nennt sich
in der Kanzlersprache soziale Gerechtigkeit. Die ÖVP steht fürs
Sparen, das lässt sich irgendwie in einen Leistungsbegriff
übersetzen.
Im Prinzip haben das mittlerweile eh schon alle verstanden, für die
ganz Begriffsstutzigen haben es Wiens Bürgermeister Michael Häupl für
die SPÖ und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll für die ÖVP
(und beide natürlich auch für sich selbst) am Christtag noch einmal
aufbereitet. Häupl will, dass zwei Drittel des Gesamtvolumens über
neue Steuern aufgebracht werden, Pröll ist anderer Meinung: Man solle
jetzt ambitioniert sparen und frühestens in zwei Monaten über Steuern
reden.
Noch etwas: Werner Faymann spricht konsequent vom
"Konsolidierungsbedarf", Vizekanzler Michael Spindelegger dagegen
bemüht noch den "Sparbedarf".
Insgesamt geht es um zehn Milliarden Euro in den nächsten fünf
Jahren. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Und ein Volumen, das sich
mit Sicherheit nicht nur mit neuen Einnahmen oder nur mit einem
harten Sparkurs erreichen lässt, ohne dass das wirtschaftliche oder
das soziale Gefüge des Landes komplett aus dem Lot gerät.
Also werden am Ende des langen Weges auf beiden Seiten jeweils
Schuldzuweisungen stehen. Wir wollten ja eh, aber die SPÖ / die ÖVP
hat uns nicht lassen. Bis dahin wird knallharte Klientelpolitik
betrieben oder zumindest vorgetäuscht. Die SPÖ setzt auf Eat the
rich. Das ist der Titel eines gesellschaftskritischen Films aus dem
Jahr 1987, in dem die Reichen tatsächlich verspeist werden, das Motto
war auch für einige Opernballdemos gut. Die Reichen sollen also
bluten - beim Verdienst, beim Vermögen, bei den Immobilien. Noch tut
die SPÖ so, als ob die breite Mittelschicht und erst recht die sozial
weniger Privilegierten nicht vom "Konsolidierungspaket" betroffen
sein würden.
Bei der ÖVP wird ein anderer Film gezeigt. High Society, bei uns auch
Die oberen Zehntausend genannt. Die ÖVP geriert sich als die
Schutzpatronin jener oberen Zehntausend, deren Vermögen sie
verteidigen will. Leistung muss sich lohnen. Gespart werden soll bei
den Verschwendern und Schmarotzern, in der Verwaltung und bei den
Eisenbahnern, den privilegierten unteren Zehntausend.
Da läuft in beiden Parteien der falsche Film ab. Und spätestens im
März, wenn das Paket beschlossen werden soll, wird auch die jeweilige
Klientel zur Kenntnis nehmen müssen, dass sie in diesem Ausmaß nicht
bedient und nicht bedacht und nicht beschützt werden kann, wie ihre
vorgeblichen Schutzherren das jetzt verkünden. Vor dem Happy End
reißt der Film.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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