Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: 2011 - Jahr der Computer und des Internets
Verschmolzene Welten
CARSTEN HEIL
Geschrieben am 30-12-2011 |
Bielefeld (ots) - Wer die Nachrichten und Meldungen des zu Ende
gehenden Jahres genau beobachtet hat, macht eine dramatische
Feststellung: Bei vielen, sogar fast allen wichtigen Ereignissen
haben das Internet, die Computer, die im Netz zu findenden sozialen
Gemeinschaften (Social Communities), kurz: hat die digitale Welt eine
entscheidende Rolle gespielt. Ohne Online geht es gar nicht mehr. Im
Guten wie im Schlechten. In der Steinzeit der Informationstechnologie
- also vor 15 Jahren - waren Computer schlichte Werkzeuge, die grau
auf den Schreibtischen standen und die Schreibmaschinen ersetzten.
Davon kann keine Rede mehr sein. Existierten bisher die digitale und
die reale, analoge und damit alte Welt parallel nebeneinander, so
sind sie im Jahr 2011 miteinander verschmolzen. Und sie werden nie
wieder zu trennen sein. Die Weltgeschichte entwickelt sich nur
deshalb anders, weil es Computer und Internet gibt. Viele Ereignisse
hätte es ohne Bits und Bytes gar nicht gegeben. Das begann schon
während des arabischen Frühlings im Januar und Februar, als die
Revolutionäre in Tunesien und Ägypten sich aufmachten, ihre Despoten
zu stürzen. Ohne die Kommunikation auf Facebook und über den
Kurznachrichtendienst Twitter ging da gar nichts. Und jetzt, da die
Lage in Syrien eskaliert, kann sich die Welt über die Vorgänge fast
ausschließlich durch Videos informieren, welche Oppositionelle auf
Youtube zeigen. Das macht Druck auf das Regime und wird Folgen für
den Fortgang des Umsturzes, also für die reale Welt haben. Auch im
politisch so stabilen Deutschland beginnt sich die Parteienlandschaft
zu verändern, nur weil es das Internet gibt. Die Piratenpartei gäbe
es ohne Internet & Co. nicht. Erst jetzt beginnen die etablierten
Parteien das Thema ernster zu nehmen, versuchen Anschluss zu halten.
Nur Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner kämpft einsam ihren
aussichtslosen Kampf für Datenschutz und gegen Datensammelwut und
Veröffentlichungszwang auf Facebook. Sie hat noch gar nicht
verstanden, dass junge Menschen in der wirklichen Welt zu Outsidern
werden, fast zu Ausgestoßenen, wenn sie nicht auf Facebook dabei und
nicht per Skype zu erreichen sind. Wer als Neuntklässler die digitale
Klassenkommunikation per Facebook schwänzt, hat im analogen Leben
schlechte Karten, weil keine Informationen über das, was läuft. Das
hat Auswirkungen auf den Umgang miteinander in der Wirklichkeit.
Selbst die das Jahr 2011 beherrschende Thematik der Schulden-,
Finanz-, Euro- und Europakrise ist vom Digitalen beeinflusst worden.
Die Fehlmeldungen der Ratingagenturen über die Bonität Frankreichs
und seiner Banken sind nicht vergessen. Und auch die Expertisen
selbst werden von Computern automatisch und nur nach der binären
Ja/Nein-Logik errechnet. Auch hier hat die digitale Welt konkrete
Auswirkungen auf Wohlstand und Wirtschaft der analogen. Nur wenige
Beispiele, die klarmachen, wie weit die Welten schon verschmolzen
sind. Dieser Prozess wird weitergehen und sich aufgrund der
zunehmenden Mobilität des Internets noch beschleunigen. Darüber kann
man, muss man aber nicht lamentieren. Man sollte es auch nicht tun.
Denn: Es ist einfach so. Bei aller vielleicht vorhandenen Sehnsucht
der mittleren und älteren Generation nach dem analogen Leben: Wer in
der Zukunft über das Jahr 2012 hinaus dabei sein will, muss die
Verquickung akzeptieren, für sich nutzen, die Gefahren erkennen und
das Negative möglichst unter Kontrolle behalten.
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Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
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