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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Prognosen 2012

Geschrieben am 30-12-2011

Bielefeld (ots) - Der Blick nach vorn gehört zum Jahreswechsel.
Noch bevor 2011 vorüber ist, fragen wir uns: Was kommt jetzt? Wie
wird das neue Jahr? Was mag 2012 bringen? Rastlos ist unser Leben
geworden, auch an den Tagen zwischen den Jahren. Prognosen haben
Konjunktur, extreme Prognosen haben Hochkonjunktur. Schrille
Vorhersagen gelten vielen noch immer als besser verkäuflich. Wir
Journalisten haben einen nicht unerheblichen Anteil daran. Je lauter
der Gong schlägt, desto besser ist er zu hören - meinen wir
jedenfalls. Auf der Achterbahn der Gefühle ist es von himmelhoch
jauchzend bis zu Tode betrübt oft nicht weit. Im Leben ist es zum
Glück meistens anders. Eine Sache ist selten schwarz oder weiß,
sondern grau. Das mag unspektakulär sein, bleibt aber trotzdem wahr.
Und weil die allermeisten Menschen um diese Wahrheit wissen, gibt es
immer auch wieder genug Leser, die uns an diese Wahrheit erinnern.
Zum kritischen Blick nach vorn, zur besorgten Prognose, ja, zur
berufsbedingten Skepsis der Medienleute gehört es auch, sich selbst
und die eigene Arbeit an nicht weniger scharfen Maßstäben zu messen
und selbstverständlich auch von anderen messen zu lassen. Das ist
nicht immer bequem, aber dringend notwendig. 2011 gab dafür wahrlich
ausreichend Anlass. Nicht die Journalisten haben Karl-Theodor zu
Guttenberg den Stift gehalten bei seinem Plagiat von Doktorarbeit.
Doch Journalisten waren es, die den Freiherrn samt Frau in so
schwindelerregende Höhen geschrieben haben, dass der Absturz kaum
glimpflicher hätte ausgehen können. Nicht die Journalisten haben die
Demokratiebewegungen in den arabischen Ländern gestoppt. Doch
Journalisten hatten zuvor so laut und euphorisch mitgejubelt, dass es
viele nun nicht fassen können, dass dem Arabischen Frühling eher ein
bitterkalter Winter als ein strahlender Sommer zu folgen scheint.
Und schließlich, als medialer Dauerbrenner quasi: Nicht die
Journalisten haben die Euro-Krise verursacht, aber viele Journalisten
haben den Euro auch 2011 wieder am Ende gesehen. Dabei ist er noch
immer erstaunlich lebendig. Gleichmaß ist ein sehr rares Gut
geworden. Übertreibungen sind an der Tagesordnung, Erwartung und
Ergebnis klaffen so zwangsläufig auseinander. Und wenn es dann nicht
so gut läuft wie prognostiziert, sind wir schnell enttäuscht. Geht es
aber nur weniger schlecht aus als befürchtet, sind wir schon aus dem
Häuschen. Beides ist menschlich, gut aber ist es nicht. Gut ist es,
der eigenen Urteilskraft und dem gesunden Menschenverstand mindestens
ebenso zu vertrauen wie den zahllosen Experten. Gut ist es, ihre
Vorhersagen zu hören und sie da, wo sie das eigene Leben betreffen
könnten, auch ernst zu nehmen. Gut aber ist es auch, Prognosen nicht
zu ernst zu nehmen. Denn das Allerschönste an der Zukunft ist ja,
dass wir sie noch gestalten können. Auch 2012 wieder.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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